Düsseldorfer Oper „Don Pasquale“: Susanne Preissler verblüfft mit halsbrecherischer Choreografie

Der Kunstdieb entpuppt sich in der Oper als Diebin. Tuch-Artistin Susanne Preissler verblüfft mit halsbrecherischer Choreografie.

Düsseldorfer Oper: „Don Pasquale“: Susanne Preissler verblüfft mit halsbrecherischer Choreografie
Foto: Thilo Beu

Düsseldorf. Rolando Villazóns Düsseldorfer Inszenierung von Gaetano Donizettis „Don Pasquale“ ist nicht nur ein Ohren-, sondern auch ein Augenschmaus. Der bekannte Tenor und etwas weniger bekannte Regisseur und Autor hat aus der komischen Oper eine Art Slapstick-Komödie gemacht, mit vielen bunten Bildern und köstlichen Charakteren.

Und mit einer überraschenden Luftnummer: Bereits während der Ouvertüre hangelt sich eine schwarz vermummte Gestalt an einem Seil aus dem Schnürboden. Sie angelt von oben nach der zerbrechlichen Figur der Venus von Milo. Unwillkürlich denkt man an Tom Cruise’ ganz großes Kino als Geheimagent Ethan Hunt, wie er in „Mission Impossible“ kopfüber im CIA-Hauptquartier baumelt. Funktioniert auch als ganz große Oper. Darin folgen weitere scheinbar schwerelose Versuche des Kunstraubs der sinnbildschönen Venus-Statue. Dabei kommt es immer wieder zu neuen Verwicklungen — in der Handlung wie in der Luft.

Die geheimnisvolle schwarze Gestalt steigt durchs Fenster ein, hangelt sich an Tüchern wie an einem roten Faden durch die Commedia dell’Arte. In der wähnt sich ja auch der alternde Don Pasquale in seiner Liebe zu einer (zu) jungen Frau im Siebenten Himmel, aus dem ihm der Absturz droht. Umso mehr verblüfft am Ende die Auflösung, als dichtes blondes Haar unter der schwarzen Kappe hervorquillt.

Der Kunstdieb ist eine Diebin, graziös und geschmeidig dargestellt von der Vertikaltuchakrobatin Susanne Preissler. Wie ist sie in diese Oper gekommen? Villazóns Idee: Er hatte Preissler bereits vor zwei Jahren in Baden-Baden die Violetta in „La Traviata“ artistisch doubeln lassen und schlug vor, in Düsseldorf aus ihr quasi einen Überraschungsgast im Bühnenbild zu machen.

Ein Traumberuf? Die beiden Begriffe müssen bei Susanne Preissler getrennt betrachtet werden. Bereits als Teenager hatte sie angefangen mit Kunstturnen, dann jedoch erst einmal „etwas Vernünftiges“ studiert: Medizintechnik, unter anderem in den Niederlanden und in Australien. Irgendwann traf sie auf einer Party eine Luftakrobatin und war fasziniert: „Wir haben dann Künstler-Videos angeschaut, nachgemacht, Workshops besucht, sind schließlich gemeinsam aufgetreten.“

Die Quereinsteigerinnen hatten Erfolg. Preissler: „Der direkte Weg führt durch eine klassische Ausbildung an Zirkusschulen, manche werden auch einfach in Zirkusfamilien hineingeboren.“ Vertikaltuchakrobatik, auch Arial Silk genannt, ist eine anstrengende, extrem kraftaufwendige Sache — ohne Sicherung. Düsseldorfer kennen sie aus diversen Programmen des Apollo-Varietes. Und aus der Gerichtsberichterstattung: Vor zwei Jahren stürzte eine andere junge Hobby-Akrobatin bei einem scheinbar nicht genügend gesicherten Auftritt in einem Düsseldorfer Kleingartenverein ab. Die kann seitdem nicht mehr auftreten. In einem Prozess wurden ihr 500 Euro zugesprochen. Preissler: „Unsere Unfallversicherung ist noch höher als bei Dachdeckern.“

Wie behält sie überhaupt die komplizierten Wickeltechniken im Kopf, um im freien eleganten Fall nicht abzustürzen? „Konzentration und Koordination. Man muss immer bei der Sache sein. Und dann spreche ich mir beim Wickeln die einzelnen Schritte zusätzlich immer wieder vor: „links rum, rechts rum… um hinterher wieder richtig abzuwickeln.“

Um nicht ins Rutschen zu kommen benutzt die 33-jährige Artistin, die bei fast 1,80 Meter Körpergröße 65 Kilo wiegt, ein spezielles Spray, mit dem auch Handballer verhindern, dass ihnen ein gefangener Ball nicht gleich wieder entgleitet. Zusätzlich: „Ich versuche, jeden Tag zu trainieren, wenn ich nicht gerade unterwegs bin.“ Susanne Preissler wird oft für Varietés gebucht, auch gerne für Galas oder Firmenfeiern. Ihre Spezialität ist eine „Skybar“. Da serviert sie über allem schwebend Sekt aus Flaschen, die an Kronleuchtern hängen.

Und jetzt die Opernbühne am Rhein. Das lange Tuch in Don Pasquale — nicht Seide, sondern Polyester — ist etwa acht Meter lang und berührt fast den Boden. Die Choreographie richtet sich nach der Musik. Die Künstlerin auch. Preissler: „Ich muss schon genau hinhören, denn durch die schwarze Kopfhaube mit den zwei kleinen Gucklöchern sehe ich nicht viel.“ Doch wenn sie die dann abnimmt, fliegt ihr spontan Applaus zu.

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