Die Neuen im Kom(m)ödchen-Ensemble

Christian Ehring geht, bleibt aber als Autor aktiv. Daniel Graf und Martin Maier-Bode kommen.

Die Neuen im Kom(m)ödchen-Ensemble
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Wie überrascht waren Sie beide, als Kay Lorentz anrief und fragte: „Wollt ihr nicht bei mir anfangen?“

Daniel Graf: Der Anruf kam für mich aus komplett heiterem Himmel. Ich war nicht darauf vorbereitet und es warf auch erst einmal alle Lebensplanungen über den Haufen. Ich war so glücklich über diese Option, die sich auftat, und — ich kann das gar nicht anders sagen: Seitdem das klar ist, laufe ich nur noch grinsend durch die Gegend.

Martin Maier-Bode: Ich mache ja zurzeit die künstlerische Leitung bei der „Distel“ in Berlin. Ich hatte gerade den inneren Entschluss gefällt, okay, bis der Vertrag ausläuft, machst du es noch — das wirst du nicht verlängern. Und kaum hatte ich innerlich losgelassen, ruft eine Woche später Kay an und sagt: „Hör mal, lass uns mal treffen.“

Christian Ehring kümmert sich in Zukunft verstärkt um seine Fernsehkarriere. Sind seine Fußstapfen so groß, dass man meint, ihn durch zwei neue Gesichter ersetzen zu müssen?

Maier-Bode: Das ist eine intelligente Lösung, finde ich: Durch diese Lösung ersetzen wir Christian nicht, sondern wir erweitern das Feld. Das gibt auch dem Zuschauer nicht das Gefühl, „Aha, da ist jemand anderes, der ersetzt Ehring“, sondern: „Aha, das ist neu“. Ich glaube, dass wir damit viel besser klarkommen, als wenn wir ihn personell einfach nur ersetzen würden. Da würde ich dann sagen, wow, was sind das für Fußstapfen, weil ich weiß, wie großartig er ist. Das würde ich gar nicht wollen.

Herr Maier-Bode, das Kommödchen ist Teil ihrer persönlichen Vita. Können Sie uns davon erzählen?

Maier-Bode: Ich war noch Student, hatte ein Kabarett-Duo und dann hatten wir in Neuss, wo ich auch als Kabarett-Lehrer beschäftigt war, einen Skandal: Wir haben schlimme Lieder über Helmut Kohl gesungen, und die Folge war, dass die mir meinen Job gestrichen haben und mich bezahlt haben für eine Premiere, die wir nie spielen durften. Wir bekamen aber viel Solidarität, unter anderem hat das Kom(m)ödchen eine Petition für uns unterschrieben. So kamen wir überhaupt das erste Mal in Kontakt.

Herr Graf, Sie haben als Mephisto, Hamlet und Don Carlos auf der Theaterbühne gestanden, aber im Kabarett sind sie eher Quereinsteiger. Weshalb ist die Wahl auf Sie gefallen?

Graf: Das müssen sie eigentlich Kay Lorentz fragen. Aber für mich besteht, was die Spielweise betrifft bei Stücken wie „Couch“ oder „Sushi“, eine Ähnlichkeit zu Geschichten, die ich im Theaterbereich gespielt habe, etwa „Shakespeares sämtliche Werke leicht gekürzt“. Also alles, was ein unglaubliches Tempo hat, Sprachwitz, Rhythmus, Genauigkeit. Dass im Kabarett jetzt diese politische Komponente dazu kommt, ist für mich eine unglaubliche Bereicherung und ein Geschenk. Hier die Möglichkeit zu haben, direkt das Brennglas draufzuhalten und darüber zu sprechen, finde ich viel ehrlicher, viel direkter und das ist das, was mir unter den Nägeln brennt.

Hat Ihre Vorliebe für das Kabarett, die Kunst der freien, frechen, ungehemmten Rede, etwas mit ihrem Aufwachsen in der DDR zu tun?

Graf: In jedem Fall: Ich bin durch die ganze Maschinerie der DDR-Volksbildung gegangen, ich war sogar FDJ-Sekretär. Ich wurde dann aber abgesetzt, weil ich Meinungen vertreten hatte, die man nicht vertreten durfte. 1989 war ich noch im Wehrausbildungslager, wo ich in der 11. Klasse gelernt habe, mit der Kalaschnikow zu schießen und mein Land gegen den Klassenfeind, also Sie hier (zeigt in die Runde) zu verteidigen. Später im Jahr 1989 habe ich in Thüringen eine Bürgerbewegung mitbegründet und sogar Hungerstreik gemacht. Wir haben dafür demonstriert, die Stasigeschichte selber aufarbeiten zu dürfen. Das war eine so intensive, politische Zeit, die mich total geprägt hat. Ich sage immer, ich bin ein 89er, so wie die 68er von sich behaupten, 68er zu sein.

Auf welche Veränderungen kann sich das Publikum denn freuen?

Maier-Bode: Dadurch, dass wir jetzt noch eine Person mehr sind, wird das Ganze noch spielfreudiger werden. Es gibt plötzlich ganz neue Koalitionen, Möglichkeiten. Vielleicht explodiert es noch mehr auf der Bühne. Ich habe jedenfalls die Hoffnung, dem Publikum sagen zu können, es wird noch verrückter.

Wie sieht die zukünftige Aufgabenverteilung im Ensemble aus?

Maier-Bode: Also, Maike Kühl bleibt für die feminine Seite zuständig, glaube ich (lacht), und Heiko Seidel bleibt die Rampensau. Dann kommt noch der feinsinnige Humor dazu, der durch Daniel präsentiert wird — sozusagen als intellektueller Seitenblick. Meine Funktion könnte die des Kabarettisten auf der Bühne sein - als Autor auf der Bühne sind da die Möglichkeiten am größten, direkt einzugreifen. Das kann Tagesaktuelles sein oder eben in Form eines Solos, man wird sehen. Aber das ist alles noch Nebelschießen.

Wer wird die neuen Stücke schreiben?

Maier-Bode: Es bleibt bei der alten Aufteilung. Die Hauptautoren sind Dietmar Jakobs und Christian Ehring. Ich komme zwar dazu, aber meine Auffassung ist hier wirklich so viel Dietmar Jakobs und Christian Ehring wie möglich.

Wie weit ist das neue Stück?

Maier-Bode: Wir sind gerade in der Themenbildung, es gibt vier, fünf Alternativen, die sich da herauskristallisieren, aber es ist noch überhaupt nichts spruchreif. Ich hoffe, dass große Bestandteile des Textes schon im Juni fertig sind.

Graf: Premiere soll am 23. Oktober sein.

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