Düsseldorf Buchvorstellung über Kraftwerk — ohne Kraftwerk

Die „Mythenmaschine“ ist in der „Acoustic Studies“-Reihe der Heinrich-Heine-Universität erschienen.

Düsseldorf: Buchvorstellung über Kraftwerk — ohne Kraftwerk
Foto: David Young

Düsseldorf. Natürlich waren sie nicht da. Und auch wenn das sowieso nie vorgesehen war: Selbstverständlich hatte diese Frage im Vorfeld irgendwie im Raum gestanden. Denn: Die Präsentation eines Buches zur Elektroband Kraftwerk - in Düsseldorf, im Studio 1 der Kunstsammlung NRW, mit den Beiträgen eines Symposiums zur Band, das vor drei Jahren parallel zu deren international bejubelter Konzertreihe nur ein paar Meter weiter stattgefunden hatte - das sollte doch bitteschön auch Kraftwerk interessieren. Aber Düsseldorf und seine Musikfreunde haben sich mittlerweile damit abgefunden, dass Ralf Hütter und Co. nichts auf Öffentlichkeits-Bohei geben: keine Interviews. Und ganz bestimmt auch keine Besuche bei Buch-Präsentationen.

Dafür stimmte der Rahmen für die Geburt dieser 237 Seiten und zwölf Beiträge umfassenden „Mythenmaschine“, die in der „Acoustic Studies“-Reihe der Heinrich-Heine-Universität erscheint: Die Rektoren der Universität waren ebenso gekommen wie Vertreter des Kulturamtes und der Kunstsammlung. Ganz nach dem Motto: Die Kraftwerker zeigen sich zwar keinem, ihre Band aber gehört allen. Und Herausgeber Prof. Dr. Dirk Matejovski vom Institut für Medien- und Kulturwissenschaft der Hochschule plauderte aus dem Nähkästchen. Davon zum Beispiel, wie er zigfach versucht habe, einen Brief an Hütter zu schreiben, um dem vom Buchprojekt zu erzählen. Wie er aber seine Brief-Entwürfe immer wieder zerknüllt in den Papierkorb geworfen habe.

Oder wie Matejovskis Mentor, Uni-Altrektor Gert Kaiser, ihn vor dem Symposium gewarnt habe, weil bei solchen Gelegenheiten am Ende immer jemand ans Mikrofon stürme, um sich als Zeitzeuge auszugeben und mit dem Satz „Das ist alles ganz anders gewesen“ das Kartenhaus der Wissenschaft umpuste. Und als das Symposium dann nach neun Stunden durch gewesen sei mit all seinen Abhandlungen über den Kraftwerk-Sound, über Kraftwerk als Pop-Kanon, über Kraftwerk in der Kompositionstradition des 20. Jahrhunderts oder generell über die auch im Untertitel des neuen Buches genannte „Konzeption und Ästhetik eines popmusikalischen Gesamtkunstwerkes“ - da sei tatsächlich ein Unbekannter und bis dato schweigender Zuhörer nach vorne gekommen. Habe sich als Zeitzeuge ausgegeben. Und habe gesagt: „Es stimmt alles. Genau so war das damals.“

Ein Freifahrtschein für die Textsammlung. Und der Startschuss für ein Buch, das sich als eines der ersten überhaupt rein wissenschaftlich und eben nicht biografisch mit den Elektropionieren aus Düsseldorf auseinandersetzt. Ein Buch übrigens, zu dem Matejovski nach eigenen Worten „über Mittelsmänner von Mittelsmännern von Mittelsmännern der Band“ schlussendlich doch noch die schmeichelnde Hütter-Einschätzung zu hören bekam, dass das alles ganz gut getroffen und interessant sei. Immerhin: Das ist ein Grund zum Feiern. Und gefeiert wurde das am Ende der Buchpräsentation denn auch mit einem halbstündigen Konzert der beiden elektromusikalischen Tüftler Detlef Weinrich (Kreidler) und Phillip Schulze. Kraftwerkisch durch und durch natürlich: Das Duo stand vor seinen Laptops - stoisch und konzentriert dreinblickend und einzelne Knöpfe drückend. Und aus den Lautsprecherboxen knarzte, fiepte, dröhnte und pluckerte der ursprünglichste aller Düsseldorfer Sounds so, als sei nie eine elektrische Gitarre erfunden worden.

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