Bernd Günter: „Jugendszenen und Cliquen ansprechen“

Interview: Kulturmarketing lebt von Empfehlung und Mut, sagt Wirtschaftsprofessor Bernd Günter.

Düsseldorf. Fühlkonzerte für Kleinkinder, Harfenspiel für Schwangere, eine Operngala mitten auf dem Burgplatz und elektronische Beats zur Ausstellung - Kultureinrichtungen so scheint es, haben alle inhaltlichen Hemmungen aufgehoben, wenn es darum geht, Besucher in die Säle zu locken. Gut so, sagt Bernd Günter. Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt an der Heinrich-Heine-Universität und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Kulturmanagement. Er ist der Meinung, es müsse noch viel mehr experimentiert werden.

Bernd Günter: Martin Schläpfers Ballett "b06" und vor allem "Der Barbier von Sevilla" an der Berliner Oper in der Inszenierung von Katharina Thalbach. Eine wunderbar bild- und erfindungsreiche Bearbeitung, bestens geeignet für junge Menschen. Ich habe mich dort wirklich gefragt, wo denn die unter 20-Jährigen sind.

Günter: Nein. Das heißt: Wer experimentiert, hat Chancen anzukommen. Es gibt doch gerade in Düsseldorf Angebote, von denen ich als Junge früher nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Projekte wie "Jedem Kind ein Instrument", das Projekt "Düsseldorf ist ARTig" oder der Kulturführerschein für Grundschüler sind wichtige Stützen bei der Kulturvermittlung. Aber ich glaube, man kann noch mehr machen.

Günter: Man sollte etwa die verschiedenen Jugendszenen und -Cliquen ansprechen. Wer dort den Fuß in der Tür hat, kann erwarten, dass über Mund-zu-Mund-Propaganda mehr junge Besucher kommen, als wenn man dies Schulklassen von oben verordnet.

Günter: Ich bin kein Freund von freiem Eintritt. Als Betriebswirt sage ich, diesen sollte man nicht pauschal gewähren. Nur Menschen, die kein Geld haben und Schulen beziehungsweise Kindergruppen sollen Museen gratis besuchen können.

Günter: Es gibt hierfür ein klares Korrektiv: Nur wenn die Macher gut sind, kommen die jungen Gäste und erzählen im Idealfall ihr Erlebnis weiter. Dann stimmt auch die Nachfrage. Im Übrigen ist das junge Publikum ein inzwischen ganz gut bearbeitetes Feld. Wir müssen viel mehr aufpassen, dass wir das Stammpublikum und die Zielgruppe der Zukunft, die Menschen mit Migrationshintergrund nicht aus den Augen verlieren.

Günter: Die Frage ist vielmehr, welches Stück welche Nation interessiert. Für Japaner mag Mozarts Zauberflöte ja in Ordnung sein, aber ob sie türkische Mitbürger in die Oper lockt, weiß ich nicht. Es gibt aber garantiert Kulturangebote, die nationalitätenübergreifend begeistern. Ich habe das kürzlich in der Universität erlebt, als ich, um das Thema der Tauschgeschäfte zu veranschaulichen, den Studenten das Märchen von Hans im Glück vorlas. Es war mucksmäuschenstill.

Günter: Die eine Hälfte war aufmerksam, weil sie sich an ihre Kindheit erinnerte, die andere, weil sie das Märchen nie gehört hatte, aber spannend und lehrreich fand.

Günter: Ich meine nicht. Man muss sich dringend Gedanken machen, zum Beispiel über Fahrdienste zu den Aufführungen. Vielleicht zum Nulltarif mit Hilfe von Sponsoren. Auch fehlen oft Sitzgelegenheiten in den Ausstellungen.

Günter: Deswegen bin ich für auch für eine effektivere Leistungspräsentation. Über Kosten und Finanzen wird viel diskutiert, aber die wenigsten Kultureinrichtungen liefern eine attraktive Dokumentation über ihre vielfältigen Leistungen ab.

Günter: Aufmerksamkeit vor allem im Ausland. Dort sind Köln und Berlin bekannter, denn sie haben im Gegensatz zu Düsseldorf Wahrzeichen. Wie wichtig das ist, weiß ich spätestens, seitdem ich das Guggenheim Museum in Bilbao von Frank O. Gehry gesehen habe. Wenn irgendetwas dem Stadtmarketing auf die Sprünge verhilft, dann so etwas. Das fehlt in Düsseldorf.

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