Ballett „b.18“: Innige Klage in Wort, Ton und Tanz

Beim Ballett „b.18“ ist Nils Christes Choreografie zweier Sätze aus Henryk Góreckis Dritter Symphonie zu erleben.

Ballett „b.18“: Innige Klage in Wort, Ton und Tanz
Foto: Gert Weigelt

Düsseldorf. Unter dem Titel „Symphonie der Klagelieder“ schrieb Henryk Góreckis (1933-2010) „Dritte“ (1976) Schallplattengeschichte. Die Gesänge, die das Leiden polnischer Nazi-Opfer reflektieren, landeten in den 90er Jahren gar in den britischen Popcharts. Nun choreografierte der Niederländer Nils Christe zwei Sätze der Symphonie für die Compagnie Martin Schläpfers.

Die Uraufführung dieser „Sorrowful Songs“ im Theater Duisburg wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Auf expressive, modern-romantische Weise hatte Górecki ein „Ave Maria“ für Gesang und Orchester vertont, das ein Mädchen an die Wand eines Gestapo-Kellers schrieb. Ebenso verfuhr er mit der Klage einer Mutter über den Tod ihres Sohnes.

Die Idee, solche Musik zu choreografieren, wird dem Werk auf besondere Weise gerecht. Denn die Klagen verlassen die Sphäre des statuarischen Oratoriums und erwachen visuell zum Leben, dringen in eine dritte Dimension des Wahrnehmens und Mitfühlens. An ästhetischer Geschlossenheit gewinnt die Einbeziehung der Mezzosopranistin Annika Kaschenz in die Choreografie. Die Sängerin der Rheinoper steht nicht im Abendkleid außerhalb der Szene, sondern läuft mit den Tänzern teilweise mit, trägt die gleichen Kostüme.

Im 2. Symphoniesatz wirkt die Choreografie ungemein suggestiv: Während eine Gruppe Runden dreht wie in einem Gefängnishof, gerät in der Mitte eine Tänzerin außer sich, wälzt sich wild auf dem Boden. Es bildet einen emotionalen Kontrast zur Ruhe der Musik und dem Schreiten der anderen Tänzer. Weniger stimmig wirkt die Umsetzung des 3. Satzes der Klage-Symphonie: Die farbig gekleideten Paare, die vor dunkelbraunen Holzwänden tanzen, geben für die tragische Thematik ein fast zu unbeschwertes Bild ab.

Wie perfekt Martin Schläpfers Compagnie technisch Anspruchsvolles bewältigt, zeigt sich zu Beginn mit den „Episodes“ des modernen Klassikers George Balanchine. Die geometrische Klarheit der Choreografie zu Zwölfton-Musiken Anton Weberns und Fugen aus Johann Sebastian Bachs „Musikalischem Opfer“ entfaltet eine Synästhesie höchsten Grades. Insbesondere das von Frame rekonstruierte „Taylor-Solo“ fasziniert durch die Ausdruckskraft des Tänzers Jackson Carroll.

Ballettchef Martin Schläpfer zeigt auch eine eigene Produktion: die preisgekrönten „Sinfonien“ zu Musik von Wilhelm Killmayer. Nun fallen Killmayers Sinfonia I und II gegen Bach und Webern etwas ab, und auch die farbige Choreografie erscheint vergleichsweise kostümfestlich. Die sparsamen Bewegungen erinnern an Pantomime und lassen die Brillanz der Tänzer kaum zur Geltung kommen. Es ist nicht der stärkste Teil des Abends. Die vom jungen Rheinoper-Kapellmeister Christoph Altstaedt geleiteten Duisburger Philharmoniker bewältigen die Werke des 20. Jahrhunderts aber respektabel, es entsteht ein Klangbild von beachtlicher Transparenz.

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