Junges Schauspielhaus Alice oder Nichts im Wunderland

Der Kinderbuchklassiker im Jungen Schauspielhaus ist ein schrilles Spektakel, bei dem manches Wortspiel auf der Strecke bleibt.

Junges Schauspielhaus: Alice oder Nichts im Wunderland
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. „Kopf ab“, ruft die Herzkönigin und ist ganz in ihrem majestätischen Element. Mit Genuss beißt sie in eines ihrer Pfeffertörtchen. Sie ist eine unheimliche Erscheinung in der schweren Robe aus Fell, mit finster geschminktem Gesicht und aufwendig gekröntem Haupt. Laute Musik und tiefrotes Licht begleiten ihren Auftritt aus den Publikumsreihen im Jungen Schauspielhaus auf die Bühne.

Die Kinder halten den Atem an. Die Bedrohung ist greifbar. „Nichts kann mich stoppen“, posaunt sie laut. Dass Darsteller Alexander Steindorf dabei wenig weiblich erscheint, verstärkt die Wirkung. Angst breitet sich aus wie der Nebel auf dem Boden in diesem verstörenden Wunderland. „Wir brauchen einen Helden, um den Wahnsinn zu stoppen“, sagt der Mädhätta in seinem ä-lastigen Kauderwelsch.

Aus dem verrückten Hutmacher des Kinderbuchklassikers von Lewis Carroll hat Bühnenautor Tobias Goldfarb diese lautmalerische Entsprechung gemacht. Für Erwachsene ein sinniges Spiel, und doch fällt es auch ihnen schwer, den verfremdeten Worten zu folgen. Ziemlich lange dauert es, bis das schrille Spektakel, befeuert von Schwarzlicht und Stroboskop-Blitzen, in einen Erzählfluss kommt.

Die Zuschauer blicken ebenso wenig durch wie Alice, die — wie sie selbst findet — sehr elegant durch das Kaninchenloch gefallen ist und nun von Twiddeldam und seinem gewichtigen Zwillingsbruder geschubst, getreten und durch die Luft geworfen wird.

Wie Clowns in der Manege wirbeln Julia Goldberg, die Alice als überzeugend bodenständiges Mädchen spielt, Maelle Giovanetti und Alexander Steindorf über den Bühnenboden. Es macht Spaß ihnen zuzuschauen und fängt den zu kopflastigen Anfang des Stückes wieder ein. Der Autor Goldfarb hat mit den Regisseurinnen, den Zwillingsschwestern Laura und Lisa Quarg, aus verschiedenen Elementen von „Alice im Wunderland“ und „Alice hinter den Spiegeln“ eine neue Bühnenfassung geschrieben.

Der Knallhase (herrlich hektisch: Julia Dillmann) folgt darin der Spur der Herzkönigin. Er sucht das „Nichts“, was die Tyrannin stoppen könnte. Wenn der Mädhätta das wiederholt ist man bei „Älles oder Nächts“, im nächsten Schritt bei „Alice oder Nichts“ und landet schließlich bei: Alice.

Dass in diesem Wunderland alles anders ist, und dass Rücken durchdrücken und Fingerspreizen zur Teezeit — normalerweise eine Qual für Alice — keine Rolle mehr spielen, hat das Mädchen schnell begriffen. Warum bei ihr aber drei und drei drei ergibt und Düsseldorf in Rom liegt, das versteht sie lange nicht. Und was und wer dieser Jabberwocky ist, mit dem die Herzkönigin droht und vor dem alle Angst haben, ergründet sie erst nach und nach.

Da ist das Publikum ihr keinen Schritt voraus. Keine große Hilfe dabei ist Grinsekatze, die hier Tschseschirkät (im Original Cheshire Cat) heißt. Schlüpft sie zur einen Seite rein in die Klappe, kommt sie an einer anderen Stelle heraus. Dass es sie in dreifacher Ausführung gibt, dauert auch beim Zuschauen einen kurzen, elegant inszenierten Moment der Verwirrung.

Das Ende bietet einen enormen Schauwert, denn Jabberwocky ist ein Drache, der einem chinesischen Zirkus Ehre gemacht hätte. Während die Wunderland-Bewohner zittern, greift Alice beherzt an. Denn im Wunderland ist nichts wie es ist: Und so ist dieses Ungeheuer nur eine Erscheinung — der Angst.

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