Akram Zaatari: Fotokunst aus dem arabischen Raum

Die erste Ausstellung unter Susanne Gaensheimer in K 21 zeigt Konzepte des Libanesen Akram Zaatari mit historischen Fotos der Araber.

Akram Zaatari: Fotokunst aus dem arabischen Raum
Foto: Rolf Vennenbernd

Düsseldorf. Zwei Wochen lang baute der libanesische Konzeptkünstler Akram Zaatari, Jg. 1966, die Ausstellung „Against Photography“ („Gegen die Fotografie“) im Untergeschoss von K 21 im Ständehaus auf. Der in Beirut geborene Künstler, der schon auf der Documenta und der Biennale zu sehen war, ist das Gedächtnis der arabischen Welt. Er erzeugt in seiner ersten deutschen Museumsschau keine eigenen Bilder, sondern bearbeitet historische Glasplatten, alte Negative und Fotos aus einem immensen Archiv, um die alten Bildträger in eine neue, sehr sensible, ästhetisch durchdachte aktuelle Kunst zu verwandeln.

Akram Zaatari: Fotokunst aus dem arabischen Raum
Foto: Rolf Vennenbernd

Das Ergebnis seiner Interventionen ist ein Abgesang auf die traditionelle Fotografie, ein Entschwinden der Bilddaten im Verlauf der Zeit. Die Düsseldorfer Bernd und Hilla Becher glaubten noch, mit ihrer Typologie die Industriearchitektur vor der Abrissbirne im Abbild zu retten. Zaatari möchte das auch, aber er zeigt die Negative mit Blasen, Sprüngen und aneinanderklebenden Materialien. So entsteht eine andere Bildsprache.

Das Thema wählte Susanne Gaensheimer aus, die neue Chefin der Kunstsammlung, und ließ die Schau von der Kuratorin Doris Krystof in Szene setzen. Gaensheimers erklärtes Ziel ist es, die Geschichte der Fotografie und den europäisch-amerikanischen Blick auf das lichtempfindliche Medium zu erweitern. Dazu ist der Libanese Zaatari bestens geeignet, denn der Künstler, Sammler und Archivar gibt ein Konzentrat der arabischen Welt in den letzten 70 Jahren. Für ihn spiegelt das Foto den Zustand der Gesellschaft wie den des in die Jahre gekommenen Materials.

Als Mitbegründer der gemeinnützigen Stiftung Arab Image Foundation (AIF) ist er Herr über derzeit 600 000 Fotos aus Ländern wie Ägypten, Jemen, Syrien und dem Libanon. Das Archiv wächst ständig und ist international vernetzt mit den wichtigsten, westlichen Museen. So ist es nicht verwunderlich, dass eine Tournee entstand, an der sich das MACBA in Barcelona und das Nationalmuseum für Gegenwartskunst in Korea (MMCA) beteiligen.

Auftakt der Ausstellung sind alte Negative, die mit Schrammen, Rissen und zusammengepappten Glasplatten die Vergänglichkeit des Materials verdeutlichen. „Von Angesicht zu Angesicht“ nennt sich eine Serie des Fotografen Antranick Anounchian (1908-1991) aus den frühen 1940er Jahren, in dessen Glasnegativen Motive französischer Soldaten und Zivilisten im unfreiwilligen Sandwich vereinigt sind. Sie geben in Schwarzweiß ihre zarte Poesie in großen Leuchtkästen preis. Andere Motive gehen in aufquellenden Luftblasen oder einer himbeerartigen Farbsoße in eine abstrakte, scheinbar informelle Malerei über.

Es sind „verlorene Bilder“, wie sie auch die Düsseldorfer Künstler Sebastian Riemer und Jürgen Staack bearbeiten. Zaatari rekonstruiert sie oder kombiniert halb Zerstörtes neu, überführt das beim Wasserschaden deformierte Porträt eines Athleten des Fotografen Anouchian in eine neue Sprache, indem er Erde, Schmutz, Metall und zerbrochenes Glas auf das alte Negativ kippt, bevor er es refotografiert. So entsteht ein neues Bild, wie es beispielhaft ist für die aktuelle Kunst.

Aber nicht nur um Zerstörungen, sondern auch um emotionale Bindungen geht es in der Schau. Fotos spiegeln immer zugleich das soziale Leben. Für Zaatari ist etwa das Automobil gleichbedeutend mit dem Einzug der Moderne in die Gesellschaft, vor dessen Statussymbol sich die Besitzer postieren.

Auch die in arabischen Ländern verbotene Nacktheit kommt ins Bild. Zaatari interviewt den Altmeister Van Leo (1921-2002), der in seinem Studio in Kairo Sänger, Schauspieler und reiche Ausländer fotografierte. Im Video des Zaatari berichtet er über die Ägypterin Nadia, die ins Atelier kam und sich in zwölf Aufnahmen nackt ablichten ließ. Ein Unikum in Zeiten der Verschleierung.

Für den Archäologen der Bildkunst kann die Fotografie auch zum Objekt werden. Er ließ kaputte Gelatine-Negative mit dem 3D-Scanner abformen und in Aluminiumplatten gravieren. Im Tiefdruckverfahren werden die Gravuren schließlich auf Papier übertragen. Die Spuren der Vergänglichkeit werden somit zu neuen Objekten.

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