JVA-Leiterin Elke Krüger: „Ich lebe für den Vollzug“

Elke Krüger, Leiterin der JVA, über Drogen und Gewalt im Knast, Wünsche der Gefangenen sowie ihre Passion für den Strafvollzug.

JVA-Leiterin Elke Krüger: „Ich lebe für den Vollzug“
Foto: David Young

Frau Krüger, was sagen Sie eigentlich Leuten, die nach Ihrem Beruf fragen?
Elke Krüger: Bei denen, die sich mit der Justiz etwas besser auskennen, sage ich: Anstaltsleiterin. Bei allen anderen, dass ich ein Gefängnis leite. Und, ja, natürlich wird dann manchmal erstaunt geguckt und geraunt, von wegen, eine Frau, die einen Knast leitet, und so weiter.

Und wieso hat sich eine Volljuristin ausgerechnet den Knast ausgesucht?
Krüger: Ich war erst bei einer Versicherung, aber das war mir zu langweilig. 1994 habe ich mich bei der Justizverwaltung um eine Abteilungsleitung im Kölner Klingelpütz, dem Gefängnis in Ossendorf, beworben. Ich weiß noch, wie der Präsident des Justizvollzugsamtes Rheinland zu mir sagte: Wissen Sie denn, worauf Sie sich hier einlassen? Ich habe geantwortet: Nein, aber ich bin neugierig. Ich war dann einen Tag zur Probe in dem Gefängnis — und sofort begeistert.

Was fanden Sie da so toll?
Krüger: Dass ich ganz schnell Kontakt zu unheimlich vielen interessanten Menschen hatte: zu Kollegen und Gefangenen, Angehörigen, Sozialarbeitern, Pädagogen, Psychologen, Seelsorgern, Anwälten oder Ärzten.

Haben Sie eigentlich nie Angst an diesem Ort?
Krüger: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich in den 20 Jahren in Gefängnissen noch nie gefährdet gefühlt, habe zum Glück auch noch nie eine wirklich bedrohliche Situation erlebt. Ich bin aber auch immer aufmerksam, gehe nie naiv und leichtfertig in Situationen mit Gefangenen. Und ich höre sehr auf meine Kollegen, die die Häftlinge besonders gut kennen.

Haben Sie denn überhaupt viel zu tun mit Gefangenen?
Krüger: Und ob. Den über allem schwebenden Anstaltsleiter, der in seinem Büro residiert, den gibt es heute nicht mehr. Und ich wäre das schon gar nicht. Intensiver Kontakt zu den Insassen ist mir sehr wichtig. Deshalb werde ich auch hier wieder im Vertretungsfall in allen Abteilungen des Vollzuges einspringen, wenn ein Kollege ausfällt.

Hier sitzen nur Männer ein. Auch wenn es ein Klischee ist: Ist das für eine Frau nicht unangenehm?
Krüger: Nein, wieso? Zum Glück arbeiten seit zehn Jahren immer mehr Frauen in Gefängnissen. Das hat dem Klima sehr gut getan. Glauben Sie mir, Frauen wirken deeskalierend, und die Gefangenen respektieren uns. Als ich in der JVA Aachen war, gab es einen notorischen Randalierer, eine echte Kante, der immer wieder ausflippte. Wenn es ganz schlimm wurde, haben meine Kollegen mich gerufen, einmal stand er mir mit einem Stuhlbein in der Hand gegenüber. Aber dann hat er sich jedes Mal direkt beruhigt.

Was sind Ihre Prinzipien im Umgang mit den Häftlingen?
Krüger: Ich begegne ihnen immer offen und fair, aber auch mit einer klaren Haltung. Ohne Klartext geht es nicht. Und ich verspreche ihnen nichts, was ich nicht halten kann.

Was wünschen sich die Gefangenen denn so?
Krüger: Alles Mögliche. Oft geht es um Kontakte zur Familie, manchmal um Verlegungen. Viele, gerade Untersuchungshäftlinge, werden ja plötzlich aus dem Leben gerissen, da muss ganz Praktisches organisiert werden — von der Kinderbetreuung bis zur Versorgung des Hundes von einem Alleinstehenden.

Noch zwei Knast-Klischees: Drogen und Bandengewalt. Was ist da dran?
Krüger:
Nun, ein drogenfreies Gefängnis gibt es, glaube ich, nicht. Das liegt einfach daran, dass man den Stoff in winzigen Mengen transportieren kann. Aber wir machen hier sehr viel gegen Drogenkonsum. Letzte Woche erst sind Spürhunde durch alle Haft- und Gemeinschaftsräume gegangen — sie haben nichts erschnüffelt und waren ganz frustriert.

Und organisierte Banden?
Krüger: Wieder gilt: Es gibt in jedem Gefängnis Bandenstrukturen, mal mehr, mal weniger aggressive. Wobei man wirklich unterscheiden muss: Nur weil sich ein paar Häftlinge zusammentun, ist das keine Bande. Fast alle sind in Einzelzellen untergebracht, da sind Kontakte untereinander wichtig. Wir achten darauf, dass keine Gruppen entstehen, die ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen können. Es muss immer klar sein: der Vollzug hat das Sagen.

Und doch gibt es Gewalt.
Krüger:
In einem gewissen Rahmen, ja. Ich habe auch im offenen Vollzug Schlägereien erlebt, die nur entstanden, weil im Schlafraum einer nachts permanent schnarchte. So etwas ist natürlich auch sehr nervend.

Sie wirken begeistert von Ihrem Job. Haben Sie in einem so modernen Gefängnis noch besondere Wünsche?
Krüger: Ich lebe wirklich für den Vollzug und fühle mich hier sehr wohl. Einen Wunsch habe ich an die Wirtschaft im Großraum Düsseldorf: Wir brauchen mehr Arbeitsaufträge. Die Häftlinge können viel, und wir haben einen tollen Arbeitsinspektor. Zuletzt haben die Gefangenen in der Arbeitstherapie ja sogar schicke, bunte Pudelmützen gehäkelt und gestrickt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort