„Jugend ohne Gott“ im Düsseldorfer Schauspielhaus

Regisseur Kristo Sagor hat sich den Stoff von Ödön von Horváth vorgenommen.

„Jugend ohne Gott“ im Düsseldorfer Schauspielhaus
Foto: Thomas Rabsch

Düsseldorf. Wenn Menschen nicht mehr sagen, was sie denken, besteht die Gefahr einer Diktatur. In einer solchen Situation befinden sich die Schüler, die Ödön von Horváth in seinem dritten Roman „Jugend ohne Gott“ beschreibt. Das Werk spielt 1934. 15 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der „Urkatastrophe“ des 20 Jahrhunderts, wie Historiker meinen. In einer Zeit also, in der viele, angesichts der Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern, den Glauben an Gott verloren hatten. Und sich dem Nationalsozialismus, der neuen Pseudoreligion, zuwandten.

„Jugend ohne Gott“ im Düsseldorfer Schauspielhaus
Foto: H. Ferbitz

Viele Zweifler passten sich ängstlich an, verharrten in Passivität oder hüllten sich in Schweigen. Lange. Zu lange. Wie auch der namenlose Lehrer, der sich in der Erzählung des Deutsch-Ungarn von Horváth zum Helden der Menschlichkeit entwickelt. Erst am Ende nimmt der Lehrer — in einem Befreiungsschlag — die Verantwortung an und demonstriert: „Der Einzelne kann etwas verändern, wenn er sich traut zu handeln.“ So formuliert Kristo Sagor die Botschaft des Romans, den er am 13. September im Jungen Schauspielhaus auf die Bühne bringen wird. Und damit die erste große Premiere er neuen Spielzeit präsentiert.

Es ist ein „schlauer Roman und ein zeitloses Sujet, auch nach 80 Jahren noch“, erklärt Autor und Regisseur Sagor, der Horváths Prosawerk von 140 Seiten in eine Spielfassung für einen zweistündigen Theaterabend verwandelte. Dabei reduzierte er die umfangreiche Roman-Personnage auf fünf Darsteller, die in verschiedenen Rollen auftreten. Das Erstaunliche: Trotz Kürzung sind 99 Prozent des Spieltextes Original-Horváth. Das garantiert der gebürtige Niedersachse mit ungewöhnlichem Namen Sagor (Mutter: Deutsche, Vater: Kroate).

Im Jugendtheater ist er kein Unbekannter. Bereits 2008 wurde er für seine Inszenierung „Törleß“ (nach dem Roman von Robert Musil) in Hamburg mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet, und sein Stück „Patricks Trick“ erhielt 2013 den Förderpreis des Berliner Kindertheaterpreises. Und Düsseldorf bescherte er mit der „Schneekönigin“ in der letzten Spielzeit einen Kassenschlager.

Sein sicheres Gespür für jugendgerechte Aufarbeitung ist auch bei „Jugend ohne Gott“ (ab 13 Jahren) gefragt. Zeitlos sei die Gefahr, dass aus Mitläufern Täter werden, dass eine Demokratie schleichend zu einem Zwangssystem mutieren könne. Deshalb verzichtet er bei Kostümen und Dekor auch auf Anspielungen der 30er Jahre. Also: Keine Hakenkreuze. Und der Name Adolf Hitler wird nicht ausgesprochen, verbirgt sich indes hinter der Bezeichnung „der Ober-Plebejer“. Neben dem Lehrer und Schülern (wie Z: derjenige, der sich in die Diebin verliebt) oder N: der Sohn der Bäckermeisters) treten auch Nebenfiguren in Erscheinung: Feldwebel, Dorpfarrer und, in der entscheidenden Gerichtsszene, ein Richter.

Und wie hält es Sagor mit Gott? Für ihn gehe es in dem Stück weniger um eine theologische Frage, gar um eine Theodizee (Rechtfertigung Gottes). Das sei die Privatsache des Lehrers. Dem Publikum soll primär eins vermittelt werden — ein Plädoyer für Zivilcourage. Man kann nur hoffen, dass das auch ohne erhobenen Zeigefinger funktionieren wird.

Termine: 11. September (Voraufführung), 13., 15., 17. Sept., 6., 8., 9. Okt. Junges Schauspielhaus, Münsterstraße 446. Telefon: 36 99 11

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