Jüdische Kulturtage: Campino kam als Überraschungsgast

Die Toten Hosen spielten beim Auftakt der Jüdischen Kulturtage. Dort gab es einen Eindruck vom facettenreichen Programm.

Jüdische Kulturtage: Campino kam als Überraschungsgast
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. „Ich schäme mich dafür, dass wir Ihnen hier in Deutschland kein sicheres Leben bieten können“, sagte Campino, Frontmann der Toten Hosen, vor der letzten Zugabe „Wünsch dir was“. Als Überraschungsgäste enterten die Rocker zusammen mit Pianist Thomas Leander und dem Streichquartett der Robert-Schumann-Hochschule die Bühne der Tonhalle und sorgten für ein gelungenes Finale der Auftaktveranstaltung zu den Jüdischen Kulturtagen.

Mehr als 80 Veranstaltungen umfasst das Programm der Kulturtage allein in Düsseldorf, landesweit sind es fast 400. „Das Motto ’Angekommen’ ist ein schönes Leitmotiv, weil es das hohe Vertrauen zeigt, dass wir Juden nach wie vor in dieses Land haben“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden — genau 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Konzert in Tonhalle: Jüdische Kulturtage eröffnen mit Toten Hosen
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Konzert in Tonhalle: Jüdische Kulturtage eröffnen mit Toten Hosen

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Selbstverständlich ist das in Zeiten, in denen Israels Ministerpräsident Europas Juden angesichts der Anschläge in Paris und Kopenhagen zur Auswanderung aufruft, und in denen Veranstaltungen wie die gestrige unter Polizeischutz stattfinden, wahrlich nicht. „Die Kulturtage sind eine Antwort auf Judenhass und Antisemitismus“, lobte Integrationsminister Guntram Schneider, der Schirmherrin Hannelore Kraft vertrat. „Ich kann ihr Bedürfnis nach Sicherheit nachvollziehen. Aber bitte bleiben sie unter uns.“

Einen Vorgeschmack auf das, was man im Rahmen der Jüdischen Kulturtage bis zum 22. März erleben kann, gab es am Sonntag während der zweistündigen Auftaktveranstaltung. Viel Applaus und Jubel bekamen die Jugendlichen vom Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde, die Auszüge aus ihrem Musical „Kadima Steps“ zeigten. Mit hebräischen, englischen und deutschen Texten, rasanten Choreographien und starken Stimmen überzeugten die Jugendlichen genauso wie die ganz jungen Clowns der Kulturakademie der Jüdischen Gemeinde. Sänger Dima Sirota spielte seine Entertainer-Qualitäten aus und präsentierte mit seiner Band klassische jüdische Musik in modernem Gewand, mal rockig, mal tanzbar.

Den Beweis dafür, dass deutsch-jüdische Vergangenheitsbewältigung auch ziemlich lustig sein kann, lieferten die Schauspieler Sarah Hostettler, Claudia Hübbecker und Moritz Führmann vom Düsseldorfer Schauspielhaus: Sie lasen aus dem Roman „Doitscha“ der Autorin Adriana Altaras, in dem eine Mutter ihrem pubertierenden Sohn, der gerne Israeli wäre, ins Gelobte Land hinterher reist.

Ganz am Ende und ganz unerwartet dann die Toten Hosen, ungewohnt klassisch begleitet von Streichern. Das hatte es zuletzt 2013 im Rahmen dreier Gedenkkonzerte in der Tonhalle gegeben, bei denen die Punkrocker von den Nazis verbotene, „entartete“ Kompositionen spielten. „Aus dem Projekt ist eine tiefe Freundschaft zwischen Thomas Leander und uns geworden“, verriet Frontmann Campino. Bei den Jüdischen Kulturtagen aufzutreten und Songs wie sei für die Band eine „große Ehre und Freude“.

Bei der Neuauflage am Sonntag spielten die Hosen neben dem Moorsoldaten-Lied, dass in den 30ern von KZ-Häftlingen verfasst wurde, mit „Willkommen in Deutschland“ auch ein Lied aus ihrem eigenen Repertoire. Vor über 20 Jahren unter den Eindrücken der damaligen rassistischen Angriffe in Rostock, Lichtenhagen und Solingen entstanden, habe der Text des Liedes „nach wie vor eine absurde Brisanz“, sagte Campino. Lediglich ein Wort hätte er für den Auftritt in der Tonhalle neu hinzufügen müssen: Pegida.

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