Jubelstürme für Dirigentendebüt

Alpesh Chauhan begeisterte mit den Symphonikern in der Tonhalle.

Jubelstürme für Dirigentendebüt
Foto: Susanne Diesner

Auf den ersten Blick mag er fast unscheinbar wirken. Doch das, was Alpesh Chauhan, Ende Zwanzig, auf dem Podium der Tonhalle gemeinsam mit den Düsseldorfer Symphonikern an Kräften entfesselte, ist alles andere als durchschnittlich. Sein Debüt mit einem deutschen Sinfonieorchester evozierte wahre Begeisterungsstürme.

Wurde einem auch ganz zu Beginn des Sternzeichens mit der Ouvertüre zu Beethovens Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ op. 43 — die übrigens ein Eigenleben entwickelt hat, wohl auch, weil Libretto und Choreographie verschollen sind — schon etwas bang. Ist die Geschichte um Prometheus an sich dramatisch genug und ist das Werk als Experimentierfeld Beethovens für seine großen symphonischen Würfe anzusehen, so wird die Ouvertüre gemeinhin etwas leichtfüßiger interpretiert. Chauhan allerdings lässt das Allegro molto con brio in einem atemraubenden Tempo, mit zwar bestens kontrollierter Präzision, aber unbändig wild über die Köpfe der Zuhörer rasen. Folgt hier ein junger Dirigent, mit musikalischem Turbo auftrumpfend, erneut der Maxime: „Schneller, lauter, besser“? Nein: Alles wirkt schlüssig — bei sage und schreibe gut 160 Schlägen die Minute im alla breve — erstaunlich homogen, dicht und immer mit einer unmissverständlichen Zielrichtung in der Phrasierung. Bravo Düsys!

Musik braucht Richtung, die Phrasen, jene Bögen, die sich aus den melodischen Bausteinen formen, brauchen eine innere magnetische Kraft, die sie emporzieht. Ganz offensichtlich wurde das auch bei Anton Bruckners 4. Sinfonie, die nicht nur den Höhepunkt des Abends bildete, sondern in dieser Interpretation unter Chauhans, nie übermäßig mit Pose aufgeladenen, Leitung vielleicht sogar als ein neuer Höhepunkt der jüngeren Aufführungsgeschichte dieses Werkes gelten kann. Der mächtige Felsen — man spielt die von Bruckner mit neuem Scherzo und überarbeitetem Finale versehene Version aus den Jahren 1878/80 der „Romantischen“ —, die gigantische Orchestermaschine, hat diese Sinfonie Bruckners doch auch so viel lyrische Leichtigkeit, erblüht in Chauhans Hand zu ungekannter Beweglichkeit.

Manche Stellen hat man so packend inspiriert nur sehr selten gehört. Doch glättet er nichts, lässt das Blech kraftvoll auftürmen, wählt stimmige Tempi und versucht dennoch Bruckner nicht gefälliger zu machen als er ist. Das Kantige indes, was viele seiner Kollegen schroff auskosten, möchte Chauhan nicht überbetonen. Wozu auch; nur, weil man glaubt, Bruckner müsse sperrig klingen? Bei ihm geht es anders. Eine innere Dynamik, die durch perfekt abgestimmte orchestrale Phrasierung stets für eine harmonische Balance zwischen Spannung und Entladung sorgt, war schon ganz zu Beginn — das heikle Hornsolo kam makellos — spürbar. Und selten hört man das Finale so mystisch aufgeladen.

Apropos Solo, nicht vergessen werden sollte noch das dritte Werk dieses bemerkenswerten Abends: Mozarts leichtgewichtigere — oder auch nicht Mozarts, die Urheberschaft ist zu recht umstritten — Sinfonia concertante KV 297b für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Orchester. Die aber durch die Solisten der Düsys, Gisela Hellrung, Wolfgang Esch, Quirin Rast und Veikko Braeme zu einem virtuosen Divertissement wurde.

Das dritte Konzert dieses Sternzeichens gibt es noch heute Abend um 20 Uhr in der Tonhalle zu erleben. Doch selbst, wenn Sie heute keine Zeit haben, gibt es Trost. „Ich gehe sehr davon aus, dass wir Alpesh Chauhan hier noch häufiger erleben werden“, versprach Intendant Michael Becker.

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