Ja zu Zahnersatz aus China

Interview: Warum Zahnersatz aus Fernost eine Alternative zu deutscher Arbeit ist, sagen ein Zahnarzt und ein Zahntechniker.

<strong>Düsseldorf. Wer an Globalisierung denkt, hat meist steigende Preise im Kopf oder Billig-Angebote aus Fernost, die im Vergleich zu deutschen Produkten konkurrenzlos billig sind. In Sachen Zahnersatz verlaufen die Fronten ähnlich: Brücken oder Kronen, die aus Fernost stammen, seien qualitativ minderwertig und würden zudem Arbeitsplätze in Deutschland vernichten. Dennoch gibt es einen Trend zu günstigem Zahnersatz. Erfahrungen mit Zahnersatz aus China hat Zahnarzt Thorsten Bandel - rund 25 Patienten hat er damit bisher versorgt. In Zahntechniker Ingo Perpeet hat er einen Partner gefunden, der bereit ist, mit Laboren in China zusammen zu arbeiten. Ein Gespräch über Globalisierung auf dem Zahnarztstuhl.

WZ: Herr Dr. Bandel, wie sind Ihrer Erfahrungen mit Zahnersatz aus China?

Thorsten Bandel: Unsere Erfahrung mit China-Zahnersatz sind überwiegend gut. Vor allem gibt es eine Nachfrage von unseren Patienten. Ich biete das zwar nicht offensiv an, aber bei Bedarf zeige ich den Patienten schon, was möglich ist. Das geht aber auch nur, weil ich mit Herr Perpeet einen Partner habe, der mir die Qualität garantiert und auch einen Vor-Ort-Service anbietet.

WZ: Was meint in diesem Zusammenhang "gute Erfahrung"?

Bandel: Unsere Patienten erwarten sehr guten Zahnersatz: Das heißt, er muss passen und zwar tadellos. Patienten wollen Qualität. Bisher hat es damit keine Probleme gegeben - wir mussten noch keine Arbeit wieder zurückschicken.

WZ: Der Vorteil für Patienten?

Bandel: Kassenpatienten bekommen einen Festzuschuss. Das ist ein Betrag, der sich aus der Zahnsituation und einem Bonus errechnet. Was sie sich mit diesem Betrag für Zahnersatz anfertigen lässt, ergibt sich aus dem Gespräch zwischen Patient und Arzt. Sie wollen möglichst viel für ihr Geld bekommen. Da ist Zahnersatz aus Fernost eine Alternative, weil er günstiger ist und sich der Eigenanteil für die Patienten dadurch verringert. In der Regel fragen Patienten aus wirtschaftlichen Gründen danach.

WZ: . . . Es gibt aber viele Vorbehalte gegen Produkte aus China beispielsweise . . .

Ingo Perpeet: Ich beobachte das jetzt seit gut 15 Jahren. Wir haben vor Jahren eine Testarbeit in China anfertigen lassen, das Ergebnis war haarsträubend, völlig indiskutabel. Das hat sich mittlerweile allerdings fundamental geändert. Ich hatte vor anderthalb Jahren die Gelegenheit, mir in China unterschiedliche Labore anzuschauen. Mittlerweile arbeite ich mit zweien zusammen - weil sie die Qualität liefern, die wir wollen. So kann ich für meine Kunden, also für die Zahnärzte, günstige Alternativen anbieten. Früher habe ich auch die Fahne für deutsche Zahntechnik hochgehalten - heute muss ich ganz klar sagen: Wenn die Qualität stimmt, biete ich Zahnersatz aus Fernost an. Viele Patienten können sich keine deutsche Arbeit mehr leisten.

WZ: Wie ist der Preisunterschied?

Perpeet: Die Chinesen arbeiten meist für weniger als die Hälfte, in Einzelfällen bis zu einem Drittel der deutschen Preise. Eine Brücke kostet in Deutschland grob gerechnet etwa 1700 Euro, für die vergleichbare chinesische Variante würden wir 900 Euro berechnen. Bandel: Es gibt allerdings auch Grenzen - es gibt Arbeiten, die können wir nicht in Fernost anfertigen lassen. Individualisierte Frontzahnkronen oder Implantatarbeiten beispielsweise. Außerdem will ich keine Discount-Angebote anbieten.

WZ: Was spricht gegen Zahn-Discount wie Mc Zahn?

Bandel: Discount ist per Definition ein reduziertes Angebot und hat in der Zahnmedizin meines Erachtens nichts zu suchen. Ich will meinen Patienten mehr bieten und nicht weniger. Zahnersatz aus China ist in meiner Praxis eine zusätzliche Möglichkeit für Patienten - sie brauchen einen Zahnarzt, dem sie vertrauen können und keinen Billiganbieter. Ich kann meinen Patienten beides anbieten: Zahnersatz ohne Zuzahlung und hochindividuell angefertigten Zahnersatz aus einem deutschen Meisterbetrieb.

WZ: Herr Perpeet, wie können sie gewährleisten, dass sie vernünftige Qualität geliefert bekommen?

Perpeet: Wie gesagt, ich habe mir die Labore sehr genau angeschaut. Ich arbeite dort unten mit drei deutschen Zahntechnikern zusammen, mit denen ich im ständigen Kontakt stehe. Ich achte genau darauf, welche Materialien verwendet werden. Man darf nicht vergessen, das dort unten brandneue Arbeitsplätze entstanden sind, die technisch auf dem modernsten Stand sind. Auch, wenn die Ausbildung der Leute noch nicht auf unserem Stand sind. Aber ich muss ganz klar sagen: Auch wenn die gleichen Materialien verarbeitet werden - noch können wir es in Deutschland besser als die Chinesen?

WZ: Sie betonen das "noch": Wird das so bleiben oder wie sieht die Entwicklung in ein paar Jahren aus?

Bandel: Der Trend wird sich fortsetzen. Ich tippe, dass in vier bis fünf Jahren bis zu 30 Prozent des Zahnersatzes aus Fernost kommen wird. Denkbar ist beispielsweise, dass etwa Arbeiten für Frontzähne in Deutschland gefertigt werden und die für Backenzähne, die man nicht auf den ersten Blick sieht, in China. Perpeet: Durch die Zusammenarbeit mit den Chinesen habe ich viele neue Kunden gewonnen. Es sind ungefähr 40 Zahnärzte, die aufgrund dessen bei mir bestellen. Tendenz steigend.

WZ: Das wird Ihre Kollegen nicht begeistern . . .

Perpeet: In der Innung gilt derzeit es fast schon als ehrenrührig, Zahnersatz in China fertigen zu lassen. Aber ich fühle mich nicht als Brandstifter der Zahntechnik - ich muss auch an meine Mitarbeiter denken. Leere Zahnarztpraxen merken wir auch. Viele Menschen können sich keinen teuren Zahnersatz leisten. Die Alternative wäre, dass ich einige meiner Mitarbeiter entlassen müsste - das will ich nicht.

WZ: Der Einstieg in die Zwei-Klassen-Zahntechnik? Wer Geld hat, bekommt Ersatz aus Deutschland, die anderen aus China.

Bandel: Das kann man so nicht sagen - die Alternative wäre, dass sich Patienten überhaupt keinen Zahnersatz leisten können. Ich hatte neulich eine ältere Dame bei mir, der es sehr unangenehm war, sich zum ersten Mal im Leben nicht das leisten zu können, was sie brauchte: vernünftigen Zahnersatz. Für sie ist Zahnersatz aus China eine Bereicherung. Nochmal: Die Qualität stimmt ja. Meine Aufgabe ist es, für Patienten das Optimum herauszuholen. Es ist meine Verantwortung, Angebote gegeneinander abzuwägen.

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