Interview mit Stadtarchiv-Historiker Benedikt Mauer: Der Kurier des Kurfürsten

Düsseldorf. Am Samstag ist Jan Wellems 350. Geburtstag. Kaum jemand kennt ihn so gut wie der Stadtarchiv-Historiker Benedikt Mauer.

Herr Mauer, mit Verlaub, können Sie den Namen Jan Wellem eigentlich noch hören oder hängt er Ihnen langsam zum Hals heraus?

BenediktMauer: Doch, ich kann ihn noch gut hören. Er ist einfach eine ungeheuer spannende Persönlichkeit.

Hat er Sie denn wirklich interessiert oder waren die vielen Publikationen in seinem Jubeljahr für den Vizechef im Stadtarchiv einfach Pflicht?

Mauer: Seine Zeit hat mich schon im Studium besonders interessiert, ich bin Frühneuzeit-Historiker. Als das Jahr seines 350. Geburtstages anstand, haben wir uns natürlich im Stadtarchiv gefragt: Was können, was müssen wir da alles machen? Was ist von ihm geblieben?

Und was ist vor allem von ihm in Düseldorf geblieben?

Mauer: Er hat die Stadt in vielen Bereichen nachhaltig geprägt, wirtschaftlich, aber auch architektonisch. Das wichtigste ist die Kunst: Ohne seine Gemäldegalerie gäbe es hier keine Kunstakademie! 1806 zog die Gemäldegalerie mit den Wittelsbachern nach München - und bildet dort den Kern der Alten Pinakothek mit fast 1000 Bildern.

Stürzt sich Düsseldorf vielleicht deshalb so auf ihn, weil es ansonsten historisch nicht so viel zu bieten hat - im Vergleich zu Köln etwa?

Mauer: Natürlich hat Köln mehr Geschichte zu bieten, allein weil 1000 Jahre älter ist. Hinzu kommt, dass es aus der Zeit vor 1750 vergleichsweise wenige schriftliche Quellen für die Düsseldorfer Geschichte gibt. Aber nochmal: Die Rolle Jan Wellems für die Stadt kann kaum überschätzt werden. Er hatte auch politisch großen Einfluss und war der wichtigste weltliche Kurfürst im Reich.

Erstaunlich ist, wie populär er als absolutistischer Herrscher im Rheinland stets gewesen ist.

Mauer: In der Tat, er wurde insbesondere seit dem 19. Jahrhundert sehr positiv gesehen. Ich kenne aber auch nur einen zeitgenösssichen Reisebericht, in dem ein Franzose an ihm und Düsseldorf herummäkelt, der vergleicht das mit dem Paris Ludwigs XIV. Ich glaube, später hat sein positives Bild viel mit der historischen Entwicklung zu tun.

In der Zeit der stürmischen Industrialisierung etwa verkörperte er das alte, gemütliche Düsseldorf und die Kunststadt. Zudem steckte in seiner Glorifizierung sicher auch ein anti-preußischer und ein anti-protestantischer Reflex im Hinblick auf das Machtzentrum Berlin.

In der Weimarer Republik dann beförderte die französische Besatzung Lokalpatriotismus und Jan-Wellem-Verklärung. Seine Volkstümlichkeit ist sprichwörtlich, 1897 benannte sich sogar ein Kegelclub nach ihm.

Dabei ist nicht erwiesen, ob er so ein leutseliger Regent war.

Mauer: Nein. Mir ist zumindest keine Quelle bekannt, nach der er tatsächlich zu Fuß durch die Altstadt gegangen wäre und mit den Leuten geplaudert hätte, er ließ sich vielmehr sechsspännig herumfahren. Was ja für einen wichtigen Herrscher von Gottes Gnaden auch absolut in Ordnung war.

Diese klischeehafte Wahrnehmung von ihm, an der müssen wir noch arbeiten. Jan Wellem hat das gar nicht nötig - er war einer der bedeutendsten Reichsfürsten seiner Zeit.

Wird er in Düsseldorf auch heute noch angemessen gewürdigt?

Mauer: Vielleicht habe ich da etwas den Historiker-Tunnelblick, aber mein Eindruck ist: ja. Jan Wellem war in Düsseldorf praktisch durch die ganze Geschichte hinweg ein positv besetzter Name, er war immer sehr beliebt. Und das Reiterstandbild vor dem Rathaus kennen wohl alle Düsseldorfer.

Wie sieht Ihr Berufsleben jenseits von Jan Wellem aus?

Mauer: Das Jan-Wellem-Jahr ist für mich noch nicht beendet. Ich halte Vorträge über Bauten aus seiner zeit und über seine Darstellung in Leichenpredigten, Anfang September ist eine Tagung im Palais Wittgenstein.

Das nächste große Projekt des Stadtarchivs ist ein Düsseldorf-Lexikon mit mehr als 2000 Stichworten zu Personen und Sachverhalten. Es soll in zwei Jahren fertig sein.

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