Interview: „Politik war notwendiges Übel“

Der scheidende Kämmerer Rattenhuber über Inflation, Beamte, Erwin und Elbers.

Düsseldorf. Als der 26-jährige Volkswirt Helmut Rattenhuber, gebürtiger und überzeugter Bilker, 1972 bei der Stadtverwaltung seinen Dienst begann, parkten an Rheinufer und Schlossturm Autos, die Uni hatte noch keinen Campus und nach Garath ging’s durch die Stadt, weil die Münchener Straße noch gar nicht existierte.

Der Stadtdirektor und Kämmerer Rattenhuber, ein verlässlicher und enorm sachkundiger Spitzenbeamter, wird am 31. Mai in der Oper offiziell von OB Elbers in den Ruhestand verabschiedet.

Rattenhuber: Zunächst werde ich mit meiner Frau in die Toskana fahren. Dann freue ich mich aufs Lesen und auf mehr Bewegung, aufs Schwimmen und Radfahren. Und: Ich habe nun ein Enkelkind, gerade ein halbes Jahr alt. Darum möchte ich mich kümmern.

Rattenhuber: Ja. Ich fing 1972 in der Kämmerei an, aber man hatte weder Zimmer noch Schreibtisch für mich. Ich habe dann drei Räume von meinem heutigen Büro entfernt vier Wochen an einem ganz normalen Tisch gesessen.

Rattenhuber: Das Unangenehmste und Bedrängendste war der Flughafenbrand, der als Aufgabe sehr kurzfristig auf mich zukam. Der Feuerwehrdezernent Dr. Friege war damals im Urlaub, man hat mich nachmittags um vier oder fünf Uhr angerufen. Ich saß plötzlich im Lagezentrum, es ging um die Benachrichtigung von Hinterbliebenen, deren Angehörige bereits anriefen - das war das Schlimmste.

Rattenhuber: Erst einmal haben wir Barreserven, darüber verfügt vermutlich keine andere Stadt in NRW. Bei der Holding der Stadt sind es um die 500 Millionen, bei der Stadtkasse noch einmal um die 90 Millionen Euro. Die Summe wird in den nächten zwei Jahren reduziert, weil wir Einnahmeverluste haben.

Zweitens sind wir schuldenfrei, drittens haben wir unsere Bausubstanz von Kindergärten, Schulen, Sportstätten etc. verhältnismäßig gut in Schuss, die wir - viertens - weiter mit Masterplänen modernisieren und erhalten. Fünftens haben wir bei der Stadt gute Mitarbeiter, das ist nicht zu unterschätzen.

Rattenhuber: Die Wirtschaftskrise habe ich so nicht kommen sehen. Aber wenn die wirtschaftliche Entwicklung nicht so plötzlich abwärts geführt hätte, glaube ich schon, dass einige Städte den gleichen Weg gegangen wären. Uns kostet die Gratis-Kita um die 16 Millionen Euro und ich glaube, dass wir das Angebot halten können.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat zwar Recht, wenn er sagt, dass man sehr genau überprüfen muss, was der Staat jetzt zu leisten hat, aber langfristig führt meines Erachtens kein Weg an mehr Betreuungsangeboten vorbei, von der Kita für unter Dreijährige bis zum Offenen Ganztag.

Rattenhuber: Wir wissen ja nicht, in welchem Maße der Rettungsschirm für Griechenland in Anspruch genommen und wie viel Geld zurück gezahlt werden muss. Vieles spricht dafür, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Mittelfristig befürchte ich jedoch Preissteigerungsraten von vier bis fünf Prozent, also Inflation.

Rattenhuber: Es wird alles teurer und die Steuereinnahmen werden wohl nicht so schnell wachsen.

Rattenhuber. Das ist richtig.

Rattenhuber: Ja. Wir haben in der Spitze 120 Millionen Euro im Jahr für Zins und Tilgung ausgegeben. Dieses Geld investieren wir heute direkt. Wenn ich meinen Dezernentenkollegen sage, dass eine Planung die Schuldenfreiheit bedrohen könnte, zucken alle zusammen.

Alle sind sich dieses Gutes bewusst, das ist in den Köpfen. Mit einer Inflation steigen schließlich auch die Zinsen. Zu meiner Anfangszeit bei der Stadt Anfang der siebziger Jahre waren die Zinsen für kurzfristige Kredite zweistellig - das Zinsniveau heute ist dagegen lächerlich.

Rattenhuber: Frau Smeets war ja noch ehrenamtliche Oberbürgermeisterin, da war Oberstadtdirektor Hölz mein Vorgesetzter. Bei Erwin und Elbers sind die Unterschiede nicht so groß. Herr Erwin war sehr detailverliebt, während Herr Elbers die Richtung vorgibt.

Rattenhuber: Ich bin politisch nicht so gebunden, dass ich irgendwo eintreten müsste. Dass ich mich durch meine Aufgabe mit Politik beschäftigen musste, war ein notwendiges Übel, das ich in Kauf genommen habe. Ich habe lieber Sacharbeit geleistet.

Rattenhuber: Das stimmt, es hat mich etwas gewundert.

Rattenhuber: Die mache ich auch gerne. Aber wenn ich mit Leuten aus der Wirtschaft zu tun hatte, dann haben die nach einiger Zeit keine Witze mehr über mich gemacht. Man muss den Partner mit Qualität und Können überzeugen. Anschließend macht man gemeinsam Witzchen.

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