Industrieklettern in Düsseldorf: Ein Leben in höchsten Höhen

Der Düsseldorfer Marc Peschel klettert an Häuserfassaden und auf Dächer.

Düsseldorf. Kein Schnee. Kein Regen. Marc Peschel kann aufs Dach. In schwindelerregender Höhe setzt der Düsseldorfer einen Fuß vor den anderen. Dann hakt er sich ein, seilt sich ab, klettert fast spielerisch die Hausfassade entlang. Rund 25 Meter über dem Boden verharrt der 37-Jährige in seiner Position. Dann macht er sich an die Arbeit. Marc Peschel ist Industriekletterer: Heute dichtet er das Dach eines Erkers in der Altstadt ab.

„Ein toller Job“, sagt der gelernte Dachdecker und blickt auf die Rheinuferpromenade. „Man hat immer eine grandiose Aussicht, fühlt sich frei und niemand hetzt einen.“ Die Sicherheit stünde bei der Arbeit in der Luft über allem. Aus diesem Grund klettert Peschel auch immer mit Begleitung. Diesmal mit Oliver Spilker, ein Kollege aus Bochum. Die beiden arbeiten seit fünf Jahren zusammen. „Vertrauen ist ganz wichtig“, sagt Peschel. „Deshalb helfen sich die wenigen Betriebe, die solche Arbeiten anbieten, immer untereinander.“

In Düsseldorf ist Peschel der einzige Industriekletterer, der eine Ausbildung zum Dachdecker hat. Das unterscheidet ihn von Kollegen, die „lediglich“ Riesenposter an Häuserfassaden anbringen. „Zuletzt habe ich auf der Glaskuppel des K 21 die Silikonfugen erneuert“, sagt er. „Aber der tollste Auftrag waren die Arbeiten auf der Kirchturmspitze des Xantener Doms in 80 Metern Höhe. Da bin ich sechs Meter unter der Spitze aus einer Luke geklettert und musste dann hochsteigen.“ Für Peschel waren solche extremen Höhen noch nie ein Problem — er wuchs praktisch auf den Dächern Düsseldorfs auf.

Im väterlichen Dachdeckerbetrieb in Hassels ging er vor 21 Jahren in die Lehre, machte später seinen Meister und übernahm den Betrieb. Doch schon seit der Jugend kraxelte der Düsseldorfer in seiner Freizeit. Im Urlaub ging es regelmäßig in die Berge. Als dann 2003 die Anfrage kam, Scheinwerfer auf dem Musical Dome in Köln zu installieren, kam er auf den Geschmack, Hobby und Arbeit zu verbinden.

Peschel machte den Schein zum Industriekletterer. Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken in Berlin nimmt die Prüfung ab. „Wer Industriekletterer werden möchte, nimmt an einer intensiven Fortbildung teil“, sagt Geschäftsführer Frank Seltenheim. Neben Klettertechniken und Sicherung lernen die Teilnehmer in einem dreiwöchigen Kurs die Wartung der Ausrüstung und Rettungstechniken. „Die Unfallquote ist ganz niedrig“, sagt Seltenheim.

Peschel selbst ist noch nie etwas passiert: „Nur einmal ist das Seil an der Dachkante verrutscht, da kam ich etwas ins Pendeln. Aber so ein Seil trägt 2,2 Tonnen und im Gegensatz zum Freizeitklettern haben wir Industriekletterer immer zwei.“ Seine Freundin mache sich keine Sorgen, wenn er in der Luft hängt. Sie klettert in ihrer Freizeit selbst, weiß, wie vorsichtig sich ihr Freund in der Höhe bewegt. Und der möchte in Düsseldorf noch so richtig hoch hinaus. „Mein Traum ist es, irgendwann einmal auf dem 240 Meter hohen Rheinturm zu arbeiten“, sagt Peschel. Das wäre selbst für den Industriekletterer aus Leidenschaft ein ganz besonderer Nervenkitzel.

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