Im Hospiz werden letzte Wünsche erfüllt

Rainer Strauß arbeitet als Theologe im Regenbogenland. Er teilt seine Zeit mit Kindern, die sterben werden — und begleitet ihre Eltern.

Im Hospiz werden letzte Wünsche erfüllt
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. „Im Hospiz ticken die Uhren anders und manchmal bleiben sie stehen“, sagt Rainer Strauß, Seelsorger im Kinderhospiz Regenbogenland. Er sitzt auf einem roten Sessel im Raum der Stille — ein Ort, in dem Eltern zur Ruhe kommen können, die wissen, dass ihr Kind sterben wird. „Ich höre oft nur zu und beantworte Fragen“, sagt er und lächelt leicht. Fragen von Eltern, die ihn anrufen und nicht mehr wissen, ob es normal ist, dass sie nicht mehr weinen können etwa. „Manchmal hilft es auch einfach zu sagen: Ich teile Dein Leid und bin da.“

Weihnachten

Zeit des Teilens

Rainer Strauß kennt viele Geschichten vom Abschied: „Einmal hatten wir zur Weihnachtszeit einen Jungen im Hospiz“, sagt er. „Sein letzter Wunsch war es, noch so viele Schoko-Nikoläuse wie möglich zu bekommen. Wir haben den Wunsch auf die Homepage gesetzt und es sind hunderte Nikoläuse zusammengekommen“, erinnert sich Strauß. „Am Ende stand der Junge jeden morgen an der Eingangstür zum Kinderhospiz und hat die ankommenden Nikoläuse persönlich in Empfang genommen.“

Letzte Wünsche werden im Hospiz erfüllt — und wenn es massenhaft Schoko-Nikoläuse sind. Strauß faltet die Hände und wird nachdenklicher. „Später hat mich der selbe Junge gefragt, wie es ist zu sterben. Ob er den Weg finden wird, woher man das Geld im Himmel nimmt, um etwas zu Essen zu kaufen, und ob er seinen verstorbenem Hund wiedersieht.“

Rainer Strauß, Seelsorger

Es komme nicht auf die Antworten an, sondern auf die Haltung, darauf, einem Menschen aufrichtig Beistand zu leisten. Und: „Es gibt oft im Leben kein schwarz oder weiß, sondern ganz viel grau.“

Während viele in der Weihnachtszeit damit beschäftigt sind, Geschenke zu kaufen und Festtagsrezepte heraussuchen, teilt Rainer Strauß seine Zeit mit Menschen, die sterben müssen, an einem Ort, vor dem sich viele fürchten. Vor acht Jahren hat er im Kinderhospiz angefangen. Vorher war er als Gemeindepastor tätig: „Der Verwaltungskram wurde immer mehr und raubte mir die Zeit für Seelsorge. Ich bin Seelsorger. Das ist meine Berufung“, sagt er. Wenn es sein muss, ist er auch am Wochenende im Regenbogenland. „Natürlich würde meine Familie manchmal mehr Zeit mit mir verbringen, aber Sie würden jetzt doch auch gern bei Ihrer Familie sein, oder?“ Er schätzt das Elementare seiner Arbeit, die Nähe zum Menschen. „Beim Abschiednehmen bete ich mit den Eltern, wir singen oder erfüllen einen letzten Wunsch“.

Wenn ein Kind gestorben ist, kümmert sich Rainer Strauß gemeinsam mit den Eltern um die Beerdigung und steht ihnen zur Seite. „Die Eltern gestalten nach dem Tod den Abschiedsraum oft so, wie es ihrem Kind gefallen hätte. Da werden Kuscheltiere aufgestellt, Fortuna-Fahnen oder Poster von Schauspielerinnen angebracht.“

Während er spricht, hört man entfernt von draußen zwei Mädchen kichern. „Wir bemühen uns hier im Hospiz Regenbogenland die Tage mit Leben zu füllen — aber wenn ein Kind stirbt, ist es doch eine ruhige Atmosphäre im Haus“, sagt er und blickt nach unten.

Strauß erklärt, dass er eine innere Grenze hat, um nicht zu involviert zu werden. „Ich bleibe zum Beispiel meist beim „Sie“, meint er. Ihm hilft sein christlicher Glaube und in der Freizeit Sport, um Erlebtes zu verarbeiten. „Ich bereue keinen Tag, mich für diese Aufgabe entschieden zu haben“, sagt er. „Wenn Eltern ihr verstorbenes Kind noch ein Mal im Arm halten, dann zeigt sich jedem, dass die Liebe stärker ist, als alles andere. Das sind wertvolle, entscheidende Momente.“

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