„Ich spiele immer mit vollem Risiko“

Noé Inui gilt als Ausnahmetalent. Der 28-Jährige spielt etwa vor 2000 Zuhörern in Tokyo. Von Düsseldorf aus plant er seine weitere Karriere.

„Ich spiele immer mit vollem Risiko“
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Internationaler geht’s kaum: Vater Japaner, Mutter Griechin, Ehefrau Koreanerin. Aufgewachsen in Belgien, studiert in Paris und in Karlsruhe — bis 2007, dann wagte Noé Inui den Schritt nach Düsseldorf, wo er an der Schumann-Musikhochschule seinen letzten Schliff als Geiger erhielt und nun sechs Wochenstunden als Lehrer unterrichtet. Global vernetzt ist die Familie des 28-jährigen Künstlers, der fließend Deutsch spricht, mit einem leichten französischen Akzent.

Der Fünfsprachige gilt als Ausnahme-Talent, hat bereits in Tokyo vor 2000 Zuschauern gespielt. In der Suntory-Halle. Tschaikowskis erstes Klavierkonzert. Sich in der 30-Millionen-Metropole mit sieben Orchestern durchzusetzen, dazu muss man schon einiges können.

Der dunkle Lockenschopf, dessen temperamentvolles Virtuosentum schon häufiger die Zuhörer im Partika-Saal der Hochschule in Erstaunen versetzte, lächelt. Spontaneität, die sei für ihn sehr wichtig und ein Gegengewicht zur „hoch intellektuellen Seite der Musik“. „Ich kann nicht wie eine Maschine spielen.“ Wenn er auf Tournee geht und in wenigen Wochen 20 Mal dasselbe Stück spielt, müsse es bei jedem Auftritt auch eine Überraschung für ihn geben. „Ich spiele jeden Abend mit vollem Risiko.“ Und nicht nur die großen Violinkonzerte von Mendelssohn-Bartholdy, Beethoven und Brahms. Auch zeitgenössische Komponisten schätzt er und liebt das kleine Format, die Kammermusik.

Lampenfieber? „Nervosität kann man nur kontrollieren, wenn man weiß, was man tut.“ Das weiß der Mann, der bis zu zehn Stunden pro Tag an seiner Geige übt. Zwar keine Stradivari, aber immerhin ein altes Instrument von 1764 vom Geigenbauer Tomaso Balestrieri. Um diese etwa 500 000 Euro teure Violine spielen zu können, ging er selbst auf Sponsorensuche. Dabei habe er vieles gelernt, wie das Klinkenputzen, nicht zu schnell aufgeben und manche Mails dreimal abzuschicken. Nur so setze man sich durch, so sein Fazit. „Solche Summen kommen nicht nach Hause geflogen.“

Noé muss die Hälfte des Jahres reisen — beruflich und um die weit verzweigte Familie in Asien zu sehen. Er freut sich, in dem „Kulturland Deutschland“ leben zu können. Hier begegne er nicht dem Rassismus wie in anderen europäischen Ländern. Er weiß aber auch, wie schwierig es ist, sich als Solist in der Klassikbranche durchzusetzen. „Ich versuche mich von dem Druck zu befreie,“, sagt er.

Eine feste Stelle als Konzertmeister? Im Augenblick noch nicht. Er will unabhängig bleiben. Wenn für 2014 auch schon zahlreiche Engagements an attraktiven Konzertsälen auf dem Plan stehen — in Amsterdam, Den Haag, Athen, St. Moritz und eine Tournee durch Japan — so steht seine Karriere erst am Anfang. Gelassenheit, Gottvertrauen und Optimismus strahlt der sympathische Musiker aus. Seit einigen Jahren ist er verheiratet mit der Pianistin Soomjja Park, die an der Hochschule als Dozentin arbeitet — genauso, wie ihr Mann und Vater des gemeinsamen Kindes. Noé: „Wir haben uns bewusst für das Kind entschieden“, sagt er. Sonst würde man als Künstler schnell egoistisch. Ihr Junge, Junot, ist 16 Monate alt. „Durch ihn hat unser Leben einen neuen Mittelpunkt bekommen.“

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