„Hey, Bruder!“ Wie ich Opfer des Antanztricks wurde

Oft habe ich davon gelesen und darüber geschrieben, jetzt bin ich selbst angetanzt worden - ein Erfahrungsbericht.

„Hey, Bruder!“ Wie ich Opfer des Antanztricks wurde
Foto: Polizei

Für die Polizei ist er Teil des Alltagsgeschäftes, für Journalisten deshalb auch: Der so genannte Antanztrick gehört inzwischen zum Standardrepertoire örtlicher Ganoven. Alle paar Tage gibt es Meldungen ähnlichen Inhalts: Immer wieder versuchen Gruppen junger Männer auf plump-vertrauliche Art, alkoholisierten Altstadtbesuchern Wertgegenstände abzunehmen. Dieses theoretische Wissen konnte der Verfasser dieser Zeilen jetzt praktisch nutzen, als er selbst Opfer dieser perfiden Masche werden sollte.

Es ist Samstagabend (24. September), kurz vor Mitternacht. Mit einem Freund laufe ich die Haroldstraße entlang Richtung Rhein. Am Schwanenmarkt fällt uns eine Gruppe mit drei jungen Männern auf, die laut palavern, mehrmals fällt das Wort „kurwa“, ein vulgärer Begriff aus dem Polnischen. Die Männer sehen, dass wir jeder eine Bierflasche in der Hand haben. Offenbar glauben sie, wir seien schon angetrunken und deshalb leichte Beute — und heften sich an unsere Fersen.

Auf dem Stück der Haroldstraße zwischen Post- und Bilker Straße holen sie uns ein. Was sie nicht ahnen: Es ist unser erstes Bier und wir sind noch Herr unserer Sinne. Auch deshalb löst mein inneres Alarmsystem schon nach Sekunden aus: Nur für Momente glaube ich, dass mich da jemand nach dem Weg fragen will, als einer der Drei scheinbar fröhlich auf mich zutänzelt. „Hey, Bruder“, ruft er und missachtet den üblichen Sicherheitsabstand unter Fremden, will mich offenbar anfassen. Ich gehe einen Schritt zurück, hebe die Hände abwehrend auf Höhe meiner Hosentaschen. Er geht wieder einen Schritt auf mich zu, ich noch einen zurück. Dann werde ich laut und deutlich: „Hau ab, lass mich in Ruhe!“

Während ich die Situation schnell erfasst habe, wirkt mein Freund ratlos. Zwei Mal versucht einer der Drei, den Arm um ihn zu legen, fast wie bei einem Schwitzkasten. Mein Freund befreit sich, indem er ihn zurück schubst. Dann werden die Angreifer aggressiv: Mehrfach treten sie nach meinen Freund — das ist für uns der Zeitpunkt, die Flucht anzutreten. Doch das Trio setzt nach, verfolgt uns. In vollem Lauftempo geht es zurück Richtung Schwanenmarkt. Auf der Bilker Straße rennen wir fast vor ein heranbrausendes Auto — es verfehlt mich nur um Zentimeter. Schließlich flüchten wir, die Drei sind uns weiter auf den Fersen, in die Gaststätte Destille in der Bilker Straße. Von dort aus rufen wir die Polizei.

Bis der Streifenwagen kommt, laufen die jungen Männer Richtung Carlsplatz. Für uns ist die akute Gefahr vorbei, für andere Passanten offenbar noch nicht. Wie wir später auf der Wache erfahren, gab es am Carlsplatz eine Körperverletzung, einer der Täter wird gefasst — und passt zu unserer Beschreibung. Auch die beiden anderen mutmaßlichen Täter werden später noch aufgegriffen, einer wohnt offenbar in unserer Nachbarschaft.

Ob wir ihm auf der Straße wieder begegnen werden? Der diensthabende Polizist tröstet uns, der Alkoholtest habe angeschlagen, „der erinnert sich bestimmt nicht mehr an Sie.“ Wie beruhigend . . . Dazu gibt es noch den Rat, sich künftig Pfefferspray zuzulegen. Ob die Drei verurteilt werden, wird sich noch zeigen. Die Polizei zumindest stuft die Tat als versuchten Raub ein. Alltag in der Altstadt.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass die Verdächtigen nicht aus nordafrikanischen Ländern stammen.

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