Geschichte: Bunkerwelten in Düsseldorf

Kirche, Getränkehandel, Proberaum – die Gebäude werden auf viele Arten genutzt.

Düsseldorf. Wenn Michael Pützhofen durch den ehemaligen Werksbunker auf dem Gelände der Stadtwerke geht, kommt er ins Schwärmen: "Das ist ein ganz besonderer stummer Zeitzeuge." Er könnte sich gut vorstellen, Schulklassen durch den Bunker zu schleusen. "Eine Führung würde mehr für die Friedenserziehung leisten als 1000 Unterrichtsstunden", ist sich der Stadtwerkesprecher und Historiker sicher.

Der denkmalgeschützte Hochbunker auf dem Gelände am Höherweg ist einer der wenigen erhaltenen Winkeltürme. Doch der Name täuscht - von Ecken und Kanten keine Spur. Der von vielen als "Zigarre" bezeichnete Turm hat seinen Namen von Konstrukteur Leo Winkel (1885 - 1981). Die Idee des 21 Meter hohen Turmes: eine möglichst kleine Angriffsfläche bieten.

310 Mitarbeiter haben in dem Turm Platz gefunden. Pützhofen: "Damals gab es an diesem Standort 400 Mitarbeiter (heute: 2500), die in Schichten gearbeitet haben." Bänke, Toilette, Waschbecken - alles ist im Originalzustand erhalten und denkmalgeschützt. Ein weiterer Winkelturm steht auf dem Gelände der ehemaligen Deutschen Röhrenwerke AG an der Lierenfelder Straße.

Der ehemalige Werksbunker der Stadtwerke ist noch funktionsfähig. Damit ist er in Düsseldorf eine Ausnahme. Wie viele Hochbunker in Düsseldorf noch erhalten sind, ist schwer zu sagen, da die Besitzverhältnisse verschieden sind. Ganz zu schweigen von den vielen Tiefbunkern (etwa unter dem Carlsplatz) und noch erhaltenen Stollen.

Zwei Hochbunker an Aachener Straße und Am Bermeshau/Ecke Erkrather Straße wurden bis voriges Jahr von der Stadt für Großschadensfälle (etwa Naturkatastrophen) in Schuss gehalten. Karl Landers, Leiter des Bevölkerungsschutzes: "Die Hochbunker hätten in kürzester Zeit hergerichtet werden können. Betten und sanitäre Einrichtungen wurden gepflegt."

Finanziert hat die Maßnahmen der Bund, der aber dann die Gelder gestrichen hat. Jetzt müssen die Gebäude von der Stadtverwaltung an den Bund übergeben werden, der sie zum Verkauf anbietet. Das Bundesimmobilienmanagement, das auch Hochbunker an Paulsmühlenstraße, Reusrather Straße, Rather Kreuzweg und Gatherweg in der Verwaltung hat, will die Gebäude an private Investoren verkaufen.

An Interessenten mangelt es nicht, weiß Rudolf Paulsberg von der Abteilung Verkauf: "Langfristig wollen wir uns von allen Bunkern trennen, die nicht zu Verwaltungszwecken genutzt werden. Die Käufer reißen sie ab oder bauen sie um."

Die weltweit einzige Bunkerkirche steht in Heerdt. Dieter Lepiorz aus dem Kirchenvorstand von St. Sakrament: "Das Grundstück wurde der Kirche im Krieg abgenommen, um einen Bunker zu errichten." 2300 Düsseldorfer haben in ihm Platz gefunden. Die Form einer Kirche hatte der Bunker schon damals.

Lepiorz: "Architekten vermuten, dass das vor Luftangriffen schützen sollte." Genutzt hat es nicht viel, die Bombeneinschläge sind an den Außenwänden deutlich zu erkennen. Nach dem Krieg bekam die Kirche das Grundstück zurück. Dombaumeister Willy Weyers machte den Bunker zu einer richtigen Kirche. Seit 1995 ist er denkmalgeschützt.

Die Hochbunker an Heyestraße, Gatherweg, Kölner Landstraße und Sandträgerweg werden von Musikern als Proberäume genutzt. An der Heyestraße ist im Erdgeschoss eine Kneipe untergebracht, im Bunker auf der Reusratherstraße ein Getränkehandel. Einer auf der Pariser Straße soll in den 50er Jahren einmal ein Filmstudio beherbergt haben.

Wohnen im Bunker geht übrigens auch. Zum Beispiel am am Kaiserswerther Markt. 1942 wurde der Hochbunker errichtet und 1955 zum Wohnhaus umgebaut. Als Eigentum des Bundes wurden die Wohnungen zu Sonderkonditionen an Mitarbeiter von Bund oder Land vermietet. Annemarie Fuchs lebt seit 21 Jahren in ihrer Wohnung. Der Reiz, an einem ungewöhnlichen Ort zu leben, hat bei ihrer Wohnungswahl keine Rolle gespielt: "Hier wohnt es sich nicht anders, als in anderen Wohnungen."

2007 hat der Bund das Gebäude für 800000 Euro verkauft. Auf fünf der sieben Etagen sind Luxus-Eigentumswohnungen à 90 Quadratmeter entstanden. Äußerlich fällt kaum auf, dass das Gebäude einst ein Bunker war. Immobilienmakler Christian Bruns, der die Wohnungen verkauft, hat im Erdgeschoss sein Büro: "Das ist einfach eine tolle Adresse in Kaiserswerth." Die neuen Besitzer mussten für ihre Wohnungen rund 300000 Euro zahlen. Dafür haben sie in den oberen Etagen Rheinblick.

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