Geht’s denn hier immer nur nach oben?

Fragt man Menschen in Europa, was sie mit Düsseldorf verbinden, fallen folgende Begriffe: die Messe, die Wirtschaft, relativ hohe Einkommen, die Kö. Die anderen guten Seiten sind leider nicht besonders verbreitet. Beim Plan, das zu ändern, spielen die Altstadt und der Hofgarten eine große Rolle.

Geht’s denn hier immer nur nach oben?
Foto: Thomas Rabsch

Beginnen wir mit einem Experiment: Denken Sie an Toulouse. Was fällt Ihnen dazu ein? Stadt, Frankreich, dann kommen schon Wein, Baguette und gute Küche. Jetzt Glasgow. Stadt, Schottland, zwei Fußballvereine, dann dunkles Bier und Dudelsack. Als nächstes bitte Catania. Stadt, Sizilien, Ätna...Wein, Pasta, Mittelmeer. Málaga? Stadt, Spanien, Meer, Eissorte. Letzter Versuch: Eindhoven. Stadt, Niederlande, wieder Fußball, Käse, Pommes, Windmühlen.

Das Experiment ist gemein? Mitnichten. Die hier genannten Orte sind die jeweils sechstgrößte Stadt ihres Landes (bei Glasgow bezieht sich das auf das Vereinigte Königreich). Das heißt, sie sind jeweils das Düsseldorf ihres Landes. Und uns fällt, wenn wir nicht zufällig große Fans und/oder intime Kenner einer der Städte sind, wenig ein, was wir mit der jeweiligen Stadt verbinden können. Zwei, drei geografische Angaben, dann driftet das Ganze schnell ab in Richtung der für das jeweilige Land allgemeingültigen, zu meist kulinarischen Assoziationen.

Das veranschaulicht, wie es um Düsseldorf steht und worin die Herausforderung liegt, wenn man diese unsere Stadt bekannter machen will. Eine Umfrage in Europa zeigt, dass rund 80 Prozent Düsseldorf kennen. Kennen heißt, dass sie wissen, dass es eine Stadt ist und diese in (West-)Deutschland liegt. Konkrete Bilder können nur 20 Prozent mit Düsseldorf verbinden. Das ist die Messe, die Königsallee, Unternehmen, Industrie, eine Stadt, in der ein recht hoher Wohlstand sichtbar ist. Die meisten lernen Düsseldorf aus wirtschaftlichen Gründen kennen. Sie besuchen Messen, eine Filiale ihres Unternehmens, tatsächlich und mögliche Kooperationspartner und schaffen je nach Zeit noch eine Runde Geschenke- und Andenkenkauf. Düsseldorf ist Business, ist Leistung. Der Pfeil zeigt hier immer nach oben.

Die genannten Eigenschaften sind wahrlich keine schlechten, aber sie sind auch nicht gerade vielseitig und verlocken auch nicht gerade zum Städtetrip. Der entscheidende Unterschied fällt im Vergleich mit Hamburg oder München auf. Auch das sind beides wirtschaftlich erfolgreiche Städte, mit recht vielen gut verdienenden Menschen. Aber da endet die Assoziationskette eben noch nicht. Hafen, Reeperbahn, Schanzenviertel, Elbphilharmonie, Musicals. Viktualienmarkt, Englischer Garten, Deutsches Museum, Oktoberfest. Trägt man die wichtigen Punkte der Außenwahrnehmung in ein Koordinatensystem ein, dann stehen Hamburg und München dicht beieinander, während Düsseldorf weit davon entfernt bei Frankfurt oder Stuttgart steht, Orte, an denen das Wort Leistung sehr sehr prägend ist.

Ob das für die anderen beiden Metropolen zutrifft, wollen wir hier offenlassen, für Düsseldorf ist das Bild unzureichend. Wir Düsseldorfer wissen das, und die meisten, die es dann doch hier her schaffen, stellen es überrascht fest. Die Eigenschaften, um den Frankfurt-Stuttgart-Quadranten zu verlassen, sind vorhanden, sie müssen nicht erzeugt oder erfunden werden. Düsseldorf könnte eine ähnliche Position einnehmen wie zum Beispiel Kopenhagen. Das Produkt ist mehr als in Ordnung, das Problem sind die Eindrücke, die davon hängen bleiben, beziehungsweise eben leider nicht.

Der Weg zur Lösung führt noch einmal zurück zum Vergleich mit Hamburg und München: Die Städte haben Leistung und Erfolg auf der einen sowie die genannten Besonderheiten auf der anderen Seite. Sie haben ihr Ying und ihr Yang und werden (auch) deshalb als sympathisch eingestuft. Düsseldorf fehlt aus Sicht der Außenstehenden das Yang. Es fehlt das Ikonische, der Treiber für das Sympathische. Das ist die Misere, die Düsseldorf Marketing beseitigen muss. Die Stadttochter muss Assoziationen wecken, die nicht mit etwas Rationalem verbunden sind, sie muss Atmosphäre, Bilder, Emotionen ans andere Ende der Wahrnehmung transportieren.

Die neue Dachmarke ist Ende vergangenen Jahres auf den Slogan „Nähe trifft Freiheit“ gebracht und dafür von einer Reihe multiplizierend wirkender Mitbürger belächelt worden. Das erscheint auf der Suche nach Yang und Kopenhagen nicht richtig. Denn der Satz muss gar nicht und schon gar nicht alleine, die Wahrnehmungs-Wende schaffen. Er bildet das Fazit von Analyse und Erörterung, von schon gefundenen und noch zu findenden Bildern und Stimmungen. Er fasst zusammen, was in der Stadt vorhanden, aber noch nicht gebündelt auf den Punkt zusammengebracht ist. Wenn das, was das noch nicht bekannte Düsseldorf vertreten soll, zu diesem Slogan führt, dann gibt es an ihm nichts auszusetzen, dann hat er seinen Job schon getan. Er repräsentiert ein Versprechen, das Düsseldorf in Orten, Atmosphären und Momenten einlösen kann.

Bleibt immer noch das Wie. Die wichtigen Märkte einigermaßen flächendeckend mit Plakaten zu bedenken, würde reichlich Geld erfordern, ohne dass die Botschaft schon reichlich tief dringen oder all zu lange halten würde. Klüger und schonender für die Stadtkämmerin ist es, die Erzählung vom anderen Düsseldorf mit konkreten Inhalten zu verknüpfen und dabei zu vermitteln, dass es sich nicht um einmalige oder vorübergehende Erlebnisse handelt, sondern um Charakterzüge der Stadt.

Mit dem Thema Street Art ist der erste noch recht kleine Versuch am lebenden Rezipienten unternommen worden. Düsseldorf spielt für diese Kunstrichtung eine ordentliche Rolle. Beachtliche Werke sind an vielen Stellen in der Stadt vorhanden und — sehr ungewöhnlich für diese vergängliche Gattung — auch historische Wurzeln. In der ehemaligen Fußgängerunterführung des Worringer Platzes, die mit amtlichen Mengen Beton versiegelt wurde, blieben die Arbeiten eines großen Graffiti-Treffens der 90er Jahre erhalten. Die sind aus Sicherheitsgründen zwar nicht direkt, aber dank hochauflösender Bilder auf virtuellem Wege zugänglich. Wer sich also für Street Art interessiert, kann #duesseldorf schon mal tippen.

Bleiben wir beim Reisegrund Kultur. Die Landeshauptstadt besitzt genügend Einrichtungen von der Qualität, von der man auch entfernten Verwandten noch erzählt. Bis die dann aber mal zu Besuch kommen, hat das Programm schon wieder gewechselt und man muss alles von vorne erzählen oder hat gerade kein Großereignis für die Geschichte. Wieder so ein Kampagnen- und Slogan-Problem. Noch. Denn Düsseldorf Marketing schnitzt gerade an einer grundsätzlich schon ziemlich klugen Entdeckung. Viele dieser Institutionen liegen an einem der zahlreichen Enden des Hofgartens. Wo immer man ihn verlässt, stößt man auf Museum, Konzerthalle, Theater. Wer sich in den Hofgarten begibt, kann nichts mehr falsch machen, er wird finden, was er in Düsseldorf sucht — und er kann passend dazu die Strecke auch noch Flanieren. Was der Hofgarten und seine kulturell wertvollen Anrainer noch brauchen, wird aktuell erarbeitet. Nähe trifft Fortsetzung.

Naheliegend in diversen Wortsinnen ist das Konzept, das voraussichtlich nach dem Hofgarten kommt: die Altstadt. Bevor auch nur die zweite Silbe von „Ja, klar“ verklungen ist, der Hinweis, dass diese Idee mit einer Überraschung begonnen hat. Bei den Umfragen für ihre Analyse haben die Vertreter von Düsseldorf Marketing auch mit den Mitarbeitern der Touristen-Informationen gesprochen. Und die berichteten, dass es eine Frage gibt, die sie von den ausländischen Besuchern mit größtem Abstand am häufigsten hören. Diese Frage lautet nicht „Wo geht es zur Messe?“, sondern „Where is the longest Theke of the world“. Und da die wenigsten davon ihren Junggesellenabschied planen, zeichnet sich ab, wie ein Konzept dazu aussehen könnte: Fünf Hausbrauereien in der Altstadt stehen für fünf Craft-Beer-Erfahrungen, jede Menge weitere Adressen für kulinarischen Genuss gibt es im Viertel auch, ein Erlebnis auf Manufactum-Level ist ohne Umwege möglich. Nur eben bisher nicht gedacht, kommuniziert und wahrgenommen.

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