Düsseldorf Flughafen: Wie viel Zeit darf Sicherheit kosten?

Am Flughafen findet zurzeit eine Qualitätsprüfung der Sicherheitskontrollen statt. Wie es dort wirklich zugeht, haben Mitarbeiter der WZ anonym erzählt.

Düsseldorf: Flughafen: Wie viel Zeit darf Sicherheit kosten?
Foto: DY

Düseldorf. Sein und Schein, das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. An den Sicherheitsschleusen im Flughafen, also dort, wo die Passagiere und ihr Handgepäck vor Abflug kontrolliert werden, gilt heute das Prinzip Schein. Denn nach Informationen unserer Zeitung findet dort seit am Dienstag eine Qualitätsprüfung durch Mitarbeiter des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam statt. Weil das den zu überprüfenden Firmen und Mitarbeitern aber schon vorher bekannt war, kann von realen Bedingungen kaum die Rede sein. Wie es an den Kontrollstellen tatsächlich zugeht, haben uns drei Mitarbeiter anonym erzählt.

Sie sagen: Die Kontrollen sind nicht gut genug. Es gibt große Lücken im System. Und die Verantwortung dafür wird den einzelnen Mitarbeitern in die Schuhe geschoben.

Dazu muss man wissen, dass die Fluggastkontrollen eine hoheitliche, sprich staatliche Aufgabe sind. Die aber von der Bundespolizei an Privatfirmen ausgelagert wurde. Das spart den Bund einiges an Geld. Führt aber auch dazu, dass die Mitarbeiter dieser Firmen einen schwierigen Spagat zwischen den Anforderungen an die Sicherheit und den ökonomischen Interessen ihres Arbeitgebers vollführen müssen.

In diesem Spannungsfeld bleibt die Sicherheit oft auf der Strecke, erzählen die drei Luftsicherheitsassistenten im Gespräch. Das Kernproblem: Je genauer eine Kontrolle ist, desto zeitaufwendiger ist sie. Beispiel Körperscanner. Die funktionieren nur bis zum Knöchel. Alles, was sich darunter befindet, wird vom Scanner nicht erfasst. Heißt: Eigentlich müssten Schuhe und Socken einer Sonderkontrolle unterzogen werden. Aber: „Würde ich das 100-prozentig umsetzen, hätte ich nach zehn Minuten eine Riesenschlange an der Kontrollstelle“, berichtet ein Mitarbeiter. „Und dann bekomme ich vom Chef einen drauf.“

Also werden viele Passagiere nach einem prüfenden Blick durchgewunken. Wobei den Mitarbeitern bewusst ist, dass so ein gewisses Risiko entsteht. Für die Sicherheit der Passagiere — aber auch für sich selbst. Denn wenn auf diese Weise bei einer verdeckten Kontrolle gefährliche Waffen oder zumindest Teile davon in den Sicherheitsbereich gelangen, dann kann das auch die berufliche Karriere des Mitarbeiters zerstören. Dann droht eine verwaltungsrechtliche Abmahnung — die bei Wiederholung dazu führen kann, dass der Mitarbeiter seinen Job verliert. Dass solche Vorgänge in der Praxis auch vorkommen, weiß Özay Tarim von der Gewerkschaft Verdi. Er kritisiert: „Hier wird Verantwortung übertragen — und die Mitarbeiter werden mit dieser Verantwortung alleine gelassen.“

Ein anderer Mitarbeiter hat ein weiteres Beispiel: „Zurzeit haben wir eine hohe Durchfallquote wegen der Sprengstofffolien“, berichtet er. Diese neuartige Gefahr sei für die Mitarbeiter am Düsseldorfer Flughafen kaum erkennbar, weil entsprechende (Nach-)Schulungen nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt würden. „Ich kenne Sprengstofffolien nur von Bildern. Eine echte habe ich noch nie gesehen. Wie soll ich sie unter diesen Umständen erkennen?“

Grundsätzlich beklagen die Mitarbeiter die harten Arbeitsbedingungen: Oft müsse man fünf bis sechs Stunden am Stück arbeiten. „Unter diesen Umständen gibt es einfach Konzentrationslücken“, sagt ein Mitarbeiter. Dazu kommt eine (gefühlt) mangelnde Wertschätzung: „Ich bekomme weder das Ansehen noch den Lohn eines Bundespolizisten.“

Tarim meint: „Sicherheit kann nicht im Akkord funktionieren — und darf nicht gewinnorientiert sein.“ Verdi fordere deshalb, dass die Bundespolizei die Aufgaben wieder selbst ausführe — und dazu die Mitarbeiter der privaten Firmen übernimmt. „Das wäre das Beste.“ Wenn das nicht gewollt sei, müsse wenigstens der Beruf aufgewertet werden: „Aus dem Luftsicherheitsassistenten sollte ein staatlich anerkannter Beruf werden.“

Bei den laufenden Qualitätskontrollen wird all das kein Thema sein. Weil die Firmen darauf vorbereitet waren, sind die Kontrollstellen vollzählig besetzt, die Konzentration entsprechend groß. Aber schon morgen ist die Zeit des Scheins wieder vorbei. Tarim fragt: „Warum sind die Qualitätskontrollen überhaupt vorher bekannt? Wem nutzt das?“

Weder das Bundespolizeipräsidium in Potsdam noch die am Düsseldorfer Flughafen engagierte Sicherheitsfirma Kötter sahen sich am Dienstag zu einer Stellungnahme in der Lage.

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