Filmpremiere: Als die Nazis Düsseldorf regierten

Für den Dokumentarfilm „Düsseldorf 1933-1945“ wurden 15 teils prominente Zeitzeugen der NS-Diktatur befragt.

Düsseldorf. Es ist eine Szene, die sich in die Erinnerung von Rosemarie Busch und Marianne Rheinbay eingebrannt hat. Bewaffnete SA-Truppen ziehen randalierend durch die Straßen, grölen Drohungen wie "wer einen Juden aufnimmt, wird sofort erschossen." Dann schildern die Damen den Moment, an den sie sich noch haargenau erinnern: Aus dem Fenster eines Wohnhauses stürzt der marodierende Pöbel einen Flügel, mit einem lauten Knall zerspringt das Instrument auf der Straße.

Die Frauen beschreiben die Pogromnacht vom 9. November 1938, wie sie sie in Düsseldorf erlebten, für den Dokumentarfilm "Düsseldorf 1933-1945". Die Szene ist ein Höhepunkt des Streifens, der am Donnerstagabend den beteiligten Zeitzeugen in der Black Box gezeigt wurde. "Dies ist ein starker Moment, in dem deutlich wird, wie sich diese Barbaren an kulturell gebildeten Juden der Stadt vergangen haben", findet Professor Volker Ackermann, der den Film konzipiert und mit dem Krefelder Videoteam Dembach umgesetzt hat. Dafür hat er 15 Zeitzeugen befragt und teils unveröffentlichte Dokumente und Filmaufnahmen zusammengetragen.

Die Bilder des 60-minütigen Werkes zeigen bekannte Orte in schauriger Verfremdung: Da ist das Rathaus, an dem Hakenkreuzflaggen wehen und ein riesiges Hitler-Porträt prangt. Der Diktator auf dem Gelände der Düsseldorfer Messe. Das völlig zerstörte Wilhelm-Marx-Haus. Dann die "Arisierung" des Carsch-Hauses: Der Jude Paul Carsch kann der Deportation durch Flucht entkommen, Fritz Seiffert übernimmt das Geschäft. In diesen Momenten durchlebt das Publikum das Grauen der Nazizeit ganz nah.

Es gibt aber auch Szenen, in denen deutlich wird, dass die Beteiligten diese Jahre völlig unterschiedlich erlebten. Da berichtet Hanna Eggerath (Jahrgang 1933) von ihrem Vater, den die Nazis wegen seiner kommunistischen Gesinnung für neun Monate in ein KZ verschleppten. Während Eggeraths Familie um ihr Leben bangte, fürchtete der Vater des Verlegers Manfred Droste (Jahrgang 1927) die Enteignung durch Gauleiter Friedrich Karl Florian, dem für Düsseldorf zuständigen Staatskommissar der Nazis. So weit kam es allerdings nicht.

In einer anderen Szene erzählt der heutige Präsident der Handwerkskammer Wolfgang Schulhoff (Jahrgang 1939) mit zitternder Stimme von der Verfolgung seines Vaters, der gemäß der Nürnberger Gesetze als Jude galt. Die Amerikaner sehnte er als Befreier herbei. Karl Heinz Küpper (Jahrgang 1929) hingegen empfand die Gegenwart der Alliierten ganz anders: "Die Infrastruktur war zerstört worden, und die Amerikaner sagten ja selbst, dass sie als Besatzer kamen."

Verfolgte fühlten sich befreit, andere nicht. "Wir haben diesen Gegensatz absichtlich nicht aufgelöst", erklärt Filmemacher Ackermann. Und so zeigt der Streifen eine Vielzahl von Auswirkungen der Nazidiktatur auf Düsseldorf, ohne die Perspektiven zu bewerten. Genau die hätte sich Hanna Eggerath aber gewünscht: Das Kriegsende als Befreiung - ihrer Meinung nach empfand die große Mehrheit so.

Auch Schulhoff und Droste haben die Zeit unterschiedlich erlebt, diskutieren nach dem Film angeregt die Schuld der damaligen Industrie. Trotzdem: "Der Film ist dem eigenen Anspruch gerecht geworden", stellt Eggerath nach der Vorführung fest. Und ist sich darin mit der Mehrheit der Zeitzeugen einig.

Der Film ist ab Samstag für 19,90 Euro im Handel erhältlich.

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