FEUILLETÖNCHEN Kolumne zur Zukunft der intellektuellen Wohnzimmergespräche.

FEUILLETÖNCHEN Kolumne zur Zukunft der intellektuellen Wohnzimmergespräche.

FEUILLETÖNCHEN Kolumne zur Zukunft der intellektuellen Wohnzimmergespräche.
Foto: Archiv Petersmann

Düsseldorf. Vergangene Woche ist die Düsseldorfer Salonnière Gabriele Gabriel im Alter von 84 Jahren gestorben. 16 Jahre lang veranstaltete die Schriftstellerin einen privaten Literatursalon an der Kirchfeldstraße. Ihr geräumiges Wohnzimmer bot Platz für 35 Gäste. Unbekannte Autoren hatten hier die Chance, ihre Werke zu präsentieren. Bei Wein, Suppen und Salaten wurden die literarischen Darbietungen diskutiert. Zwischendurch traten Musiker auf, sangen oder spielten Klavierstücke. Mit dem Tod von Gabriele Gabriel endet auch die Geschichte ihres Salons. Niemand wird ihn weiterführen. Damit verschwindet ein wichtiger Teil der Düsseldorfer Salonkultur. Aber ist das denn schlimm? Handelt es sich nicht um ein unzeitgemäßes Kultur-Relikt für elitäre Intellektuellenkreise?

Seine Blütezeit erlebte die deutsche Salonkultur im 19. Jahrhundert. Legendär wurden die Salons der Romantik, namentlich der von Caroline Schelling in Jena und der von Rahel Varnhagen in Berlin. Auch Düsseldorf pflegte die Tradition der intellektuellen Soirées. So lud die Dichterin Sophie Hasenclever mit ihrem Ehemann Dichter wie Karl Immermann oder Komponisten wie Robert Schumann in ihr Haus. Man philosophierte, debattierte, musizierte - unabhängig von Klasse und Geschlecht. Nach dem Ersten Weltkrieg gerieten die Salongesellschaften außer Mode. Unterhaltungskultur war nun angesagt: Revuetheater, Tanzlokale, Stummfilmkino.

Doch seit einigen Jahren feiern die Salons eine Renaissance, vor allem in Berlin. Gerade Vertreter der Generation 30 Plus öffnen immer häufiger ihre Wohnzimmer für philosophische oder politische Debatten, Ausstellungen oder Kunstperformances. In Düsseldorf ist von jener „jungen“ Salonkultur kaum etwas zu spüren. Doch es gibt sie noch, die privaten Stätten geistreicher Geselligkeit. Die prominenteste befindet sich in Düsseltal. Zwei Mal im Jahr lädt die Lyrikerin Konstanze Petersmann hochrangige Gäste in ihr Wohnzimmer. Literaten und Wissenschaftler, die ihre Werke vorstellen, Musiker, die etwa auf der Beduinengeige eigene Kompositionen spielen oder junge Künstler, die ihre Zeichnungen, Aquarelle oder Gemälde präsentieren.

Bei Wasser, Saft, Crémant und Kanapees diskutieren Slawisten, Psychologen, Museumsdirektoren oder Botschafter. „Kunstsinn“ nennt die 76-Jährige ihren Salon, den sie seit 2006 veranstaltet. Hier schenken sich die Gäste Zeit füreinander, tauschen sich intensiv aus und vernetzen sich. Künstler treffen auf potenzielle Käufer oder Sammler. Oft entstehen auch Kooperationen zwischen Musikern und Literaten. Eine Gegenwelt zur geschwindigkeitsbesessenen Gesellschaft und zur digitalen Netzkultur, in der Kommunikation flüchtig ist.

Neben Petersmann lädt noch die Textilkünstlerin Gepa Klingmüller monatlich zu Lesungen in ihr Atelierhaus nach Stockum. Aber auch sie ist schon über 80. Es wäre bedauerlich, wenn die Salonkultur in Düsseldorf endgültig aussterben würde. Hoffentlich beleben junge Künstler und Kunstliebhaber auch hier die Tradition der intellektuellen Soiréen wieder.

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