Einsatz mit Blaulicht-Quad

Johanniter: Die Quad-Staffel rettet seit fünf Jahren Leben, wo ein Rettungswagen nicht durchkommt. Jetzt soll es neue Fahrzeuge geben.

Düsseldorf. "Aber bitte gemächlich", höre ich meine Stimme dumpf unter dem Helm. Toni drückt aufs Gas. Das Quad neigt sich über die Kante der Steilwand. Die Räder fressen sich in den weichen Waldboden. An sandigen Stellen rutschen sie, das Quad kippt, fängt sich wieder.

Sobald es unten den Weg erreicht und halbwegs festen Boden unter den Rädern hat, beschleunigt Toni rapide. Das Fahrzeug schießt Richtung Ernst-Poensgen-Allee den Berg hinunter. Der Weg ist höchstens anderthalb Meter breit, rechts geht es steil abwärts Richtung Asphalt. Jetzt ist die Stimme gar nicht mehr dumpf, sondern schrill: "Ich sagte doch gemächlich!"

Was sich nach verrücktem Extemsport anhört, ist eigentlich dazu da, Extremsportler zu schützen. "Die Welt wird immer verrückter", sagt Hartmut Gohla, Sprecher der Johanniter-Unfall-Hilfe.

"Wir passen uns an." Das heißt nicht, dass die Johanniter auch verrückt werden. Aber sie suchen verrücktere Wege, um ihren Job zu machen. Seit fünf Jahren gibt es die Düsseldorfer Quad-Staffel, die aus ganz Deutschland angefordert wird.

Die 12500 Euro teuren und bis zu 95 Stundenkilometer schnellen Quads ³machen Spaß und fangen Blicke. Sie retten aber auch Leben. Gerade waren Staffel-Chef José Antonio Fernandez Lopez - kurz Toni - und seine Kollegen bei Europas größtem Hip-Hop-Festival "Splash" bei Bitterfeld.

Auf der Halbinsel mit 50.000 Fans können Rettungswagen nicht fahren - Straßen gibt es nicht. "Da hatte ein Mädchen einen epileptischen Anfall, biss sich auf die Zunge und drohte, an ihrem Blut zu ersticken", berichtet Toni. "Drei Minuten später wäre sie tot gewesen."

Die Quads sind nicht nur schnell und geländetauglich. Sie sind auch genauso ausgerüstet wie ein Rettungswagen - nur sind Defibrilatoren und EKG-Geräte extra stoßfest. Sogar ein Blaulicht haben sie, "Marke Eigenbau", sagt Toni. Auf dem Zweisitzer ist zudem Platz für den Notarzt. Sofern er gute Nerven hat.

Arzt und Fahrer sind speziell für das Quad trainiert. Sebastian Haederich darf seit einem halben Jahr selbst im Einsatz fahren. Seine Grenzen hat er vorher zur Genüge erfahren, ist sogar schon mit seinem Fahrzeug umgekippt. "Vor meinem ersten Einsatz bin ich etwa 200 Kilometer mit dem Quad gefahren", sagt der 21-Jährige.

Alle zwei Wochen wird sechs Stunden geübt, im Gelände und an Geschicklichkeitshindernissen. Außerdem verlangt Toni von den Frauen und Männern Hanteltraining. Denn das Quadfahren geht gehörig in die Arme.

Das merkt man beim Selbsttest - nicht im Wald, sondern hübsch sicher auf dem flachen Parkplatz am Staufenplatz. Das Quad sieht zwar wendig aus, aber in den Kurven zerrt es an den Armen und neigt sich bei einem Quäntchen zu viel Gas beharrlich auf die beiden Außenräder.

Eine stundenlange Eskorte, wie sie die Quad-Retter beim Querfeldein-Pferderennen zum großen Reitturnier CHIO in Aachen leisten, möchte man sich nicht vorstellen.

Trotzdem hat die Quad-Staffel keine Nachwuchssorgen. Im Gegenteil. Mittlerweile gibt es jugendliche Helfer bei den Johannitern, die allein wegen der Staffel dazugestoßen sind - und sehnsüchtig auf ihren 18. Geburtstag und den Führerschein warten.

Ebenso sehnsüchtig wie Toni auf neue Quads. Fünf Einsatzfahrzeuge bräuchte er. Zwei hat er. Die Staffel wird allein aus Sanitätsdiensten und Spenden finanziert. "Dabei versorgen wir von Düsseldorf aus ganz Deutschland." Jetzt sollen neue Fahrzeuge kommen. Gohla: "Wir fordern jetzt nach und nach an." Dann sollen die Quads auch verstärkt in der eigenen Stadt eingesetzt werden. Neben den Martinszügen, bei denen sie bereits fest dazugehören, etwa zur Kirmes oder beim Marathon.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort