Ein Ort der Ruhe - zumindest meistens

Was ist eigentlich an einem Vormittag mitten in der Woche in der offenen Alexanderkirche in der Altstadt los? Einiges, wie ein Besuch zeigte. Durchatmen ist trotzdem möglich.

Ein Ort der Ruhe - zumindest meistens
Foto: Gabi Kowalczik

Es ist wuselig an diesem Vormittag in der Innenstadt. Die Rheinbahn streikt, statt durch Bahnhof und Haltestellen hetzen viele Menschen zu Fuß über die Straßen. Auch Autos sind vermehrt unterwegs. An gefühlt jeder Ecke stehen Taxis, überall wird gehupt und gedrängelt. Ist es möglich, in dieser Hektik einen Ort der Ruhe zu finden? Vielleicht kann die Andreaskirche mitten in der Altstadt ein solcher Ort sein. Die frühbarocke Dominikaner-Kirche ist tagsüber für Besucher offen. Was ist da eigentlich los an einem Mittwochvormittag? Das wollte ich wissen und bin selbst mal für eine Stunde abgetaucht aus dem Trubel in der Stadt.

Die weit offen stehenden und einladend wirkenden Holztüren des Gotteshauses an der Andreasstraße machen es einem leicht, den Schritt hinein zu gehen. Dann noch durch eine Glastür und eine weitere Holztür — und plötzlich wird es ganz ruhig. Wie in einer anderen Welt. Die Architektur und Einrichtung der frühbarocken Kirche beeindrucken, der Blick wandert zu den hohen Decken, den Bögen, den kunstvoll gefertigten Figuren. Bin ich ganz allein hier? Auf den ersten Blick scheint es so. Ach nein, in einer der hinteren Reihen sitzt eine Frau, ganz still und in sich versunken. Ich setze mich ebenfalls und bin gespannt, was passiert.

Und das ist — muss ich gestehen — mehr als ich erwartet habe. Ich hätte mir wahrscheinlich einen eher schlechten Tag für meinen Besuch ausgesucht, hatte mir einer der Dominikaner-Pater vorab gesagt, und vermutet, durch den Streik der Rheinbahn würden nicht so viele Menschen kommen wie sonst. Allein bin ich in der Stunde, in der ich auf meinem Platz in der letzten Holzbank des Mittelschiffes sitze, aber nicht für eine Sekunde.

Die knarzenden Türen verraten es immer, wenn wieder jemand das Gotteshaus betritt. Es gibt Jugendgruppen, die ein paar Minuten bleiben und wieder gehen. Es gibt Besucher, die wie in einem Museum einmal umherwandern und sich alles ganz genau ansehen, bevor sie wieder verschwinden. Es gibt Besucher, die einfach ein paar Minuten lang im Mittelgang stehen bleiben und den Raum auf sich wirken lassen. Und es gibt die, die für längere Zeit Platz nehmen oder sich hinknien, die in sich gehen oder beten.

In den Momenten, in denen gerade niemand kommt oder geht, niemand umherwandert und dabei mit den Schuhen klappert — in diesen Momenten wird es wirklich still in der Andreaskirche. Dann ist Durchatmen möglich, zur Ruhe kommen, wirkliches Abtauchen. Das ist wahrscheinlich genau das, was die Besucher in den Reihen suchen und was auch ich gesucht habe. Nichts hören, nichts vom Trubel der Außenwelt mitbekommen, ganz kostbare Momente.

So ganz lässt sich die Welt drumherum dann aber eben doch nicht ausschalten. Zumindest nicht dauerhaft. Wir sind in der Altstadt. Es sind Menschen auf der Straße zu hören, die lachen oder sich lautstark unterhalten. Ein Auto fährt vorbei. Wenig später ist der dröhnende Motor eines Lkw zu hören, gefolgt vom Klappern von Glasflaschen. Die Kneipen nebenan werden beliefert.

Und dann ertönen auch noch Sirenen. Ach ja, der Probealarm. Ich verstehe ihn als Signal und raffe mich auf, in den Alltag zurückzukehren. In der Kirche trudeln die ersten Besucher zum Mittagsgottesdienst ein, ich trete wieder hinaus. Irgendwie entspannt und zufrieden. Wenn auch nicht für eine volle Stunde und mit harmlosen Unterbrechungen: Ich habe sie gefunden, die Ruhe mitten in der Altstadt.

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