Düsseldorf Bürgerdinner: Ein Ideal, an dem man arbeiten muss

Beim 4. Bürgerdinner debattierten 120 Teilnehmer bei gutem Essen über die Mühen der Demokratie.

Beim Bürgerdinner wurde munter debattiert.

Beim Bürgerdinner wurde munter debattiert.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Düsseldorf. Gedeckte Tafeln auf der Bühne des Jungen Schauspielhauses. Wo sonst die Jüngsten mit originellen und aktuellen Theaterstücken auf Werte wie Mitmenschlichkeit und Solidarität aufmerksam gemacht werden, versammelten sich etwa 120 Bürger zum Dinner. Düsseldorfer aus drei Generationen und einige Flüchtlinge tafelten ein Drei-Gänge-Menü, kredenzt von Igor Penskoi, dem Chefkoch des DRK Niederrhein-Willich.

Doch die Gaumenfreuden, süffiger Wein und die politischen Poetry-Songs von Aylin Celik waren kein Selbstzweck, sondern sollten die Gäste an Achter-Tischen zu Diskussionen inspirieren. Das Thema dieses Dinners: Demokratie, Gefahren in der Gegenwart und Perspektiven in globalisierter Gesellschaft. Und munter und engagiert wurde an allen Tischen gestritten — über unsere parlamentarische Demokratie mit Abgeordneten, auf die wir unsere Stimme übertragen, und über Alternativen dazu.

Bürgerdinner: Ernste Themen zum leckeren Drei-Gänge-Menü
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Bürgerdinner: Ernste Themen zum leckeren Drei-Gänge-Menü

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In Deutschland, Europa und arabischen Ländern. Es war das vierte Bürger-Dinner, zu dem die WZ und das Junge Schauspielhaus geladen hatten. Eintritt wie immer gratis. Einzige Bedingung dieser Mischung aus lukullischem Genuss und Debatte: Die 120 Karten müssen rechtzeitig gekauft werden. Nach dem Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, darf tafeln und diskutieren.

Zunächst benennt jeder Tisch einen Sprecher, der nach den Diskussions-Runden die Beiträge seines Tisches kurz referieren soll. Wer neben wem sitzt, darüber entscheidet das Zufallsprinzip. Das klappt gut. Und unkompliziert. Man prostet sich zu, ist schnell per Du. Und entscheidet nach ein paar Worten, wer später das Wort im Plenum führen soll. Kein Wunder, dass angesichts der derzeitigen Gefahren für die demokratische Strukturen (in Europa, in arabischen Ländern, ganz zu schweigen von der Türkei) allerlei Kontroversen aufflammten. An den Tischen und im Plenum.

Locker und debattierfreudig moderieren Hausherr Stefan Fischer-Fels, Christoph Seeger Zurmühlen von der Bürger-Bühne und WZ-Kulturredakteurin Marion Troja. Ein gut eingespieltes Trio, das sich und dem Publikum die Bälle zuwirft.

Das Außergewöhnliche: Vor jedem der drei Gänge haben Experten das Wort. So begann Aljoscha Leonard — ein „Anarcho-Syndikalist“, wie er sich selber nennt — vor den Gemüse-Antipasti. Der „herrschaftsfreie Gewerkschaftler“ (so seine Übersetzung) spricht nicht nur von Lohnkampf und Unterdrückung, sondern kritisiert, dass die Abgeordneten nach der Wahl nur noch ihrem Gewissen, aber nicht mehr dem Wähler verantwortlich seien. Und meint, er sei ein einfacher Arbeiter, der am Werkstor seine gewerkschaftliche Position abgeben müsse. Mitbestimmung sei aber mehr als nur sein Wahlrecht alle vier Jahre auszuüben. Und spricht sich für Volksentscheide aus.

Nach Gesprächen an den Tischen über bessere Voraussetzungen für Demokratie und vor dem Hauptgang — einem fleischfreien Couscous mit Currysauce und Tomaten — hat Rami Lazkani das Wort. Der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohene Mathematiklehrer, der heute am Marie-Curie-Gymnasium eine internationale Klasse leitet und mit Bewohnern von Altenheimen Schach spielt, hält ein glühendes Plädoyer für die Freiheit der westlichen Demokratie. Hier könne er, so Lazkani, öffentlich ohne Angst sagen, dass Baschar al-Assad ein Diktator sei. „Wenn ich das in Syrien sage, landen ich und meine Familie im Gefängnis.“ Zudem könnten Kinder hier angstfrei spielen und der Polizei Fragen stellen.

Ausgehend von Lazkani wurde dann während des zweiten Menü-Gangs darüber diskutiert, ob und wie man Demokratie lernen könne. Hier erwies sich die Rolle des Islams und der Religionen allgemein als Knackpunkt, ob sie Demokratie förderten oder behinderten. Ein Tisch stellte die Frage: Ist es sinnvoll, unsere Form der Demokratie anderen Kulturen aufzustülpen oder in anderen Ländern einzuführen? Vor dem Dessert verwies Caroline Hornstein Tomic (Bundeszentrale für politische Bildung) auf das Jahr 2019, in dem „wir 100 Jahre Frauen-Wahlrecht feiern werden.“ Ein Recht, das für uns längst selbstverständlich geworden sei. Bei allen Wahlen. „Was tun wir aber dafür, um die Demokratie zu erhalten?“ fragt sie mit Blick auf die vielen Gefahren. Bei aller Kritik an der Praxis der Demokratie, betont sie die Rechtssicherheit, die jeder Einzelne in Europa genießt. Und „die gewaltfreie Austragung von Konflikten.“

Eine Erfahrung, die jeder in seinem Alltag machen könne. Demokratie, bilanziert Hornstein, sei aber nicht perfekt, sondern ein Ideal, das nicht erreichbar sei, sondern an dem man jeden Tag arbeiten müsse.

Nächstes Bürger-Dinner: 28. Juni, 19 Uhr, Junges Schauspiel, Münsterstraße 446.

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