Ein Geschäft wie im Bilderbuch

Mamerow ist einer der wenigen noch verbliebenen klassischen Läden für Spielwaren. Ein Besuch in der Welt des Spielzeugs.

Ein Geschäft wie im Bilderbuch
Foto: Melanie Zanin

Petra Mamerow handelt mit Glücksversprechen. Sie stapeln sich im Regal bis unter die Decke, verpackt in Kartons und Plastikschachteln. Oder sie gucken einen mit großen Kulleraugen an. Die lilagefiederte Plüschtiereule ist ein so genannter Glubschi. „Die sind zurzeit sehr beliebt“, sagt Mamerow. Und sie sind deutlich günstiger als die Steifftiere, die daneben ein schmales Regal beschlagnahmen.

Es ist die große, weite Welt des Spielzeugs, die sich in Benrath an der Cäcilienstraße auf gerade einmal 125 Quadratmetern entfaltet und die vor Weihnachten besonders gefragt ist. 10 000 verschiedene Artikel haben bei Spielwaren Mamerow ihren Platz. Die Regale sind voll, aber es ist nicht unordentlich, alles hat seinen Platz.

Im unter Neonröhren und auf graublauem Teppich nüchtern eingerichteten Geschäft widersteht die 60 Jahre alte Mamerow mit Kurzhaarschnitt, randloser Brille und freundlichen Augen den Unwägbarkeiten, denen ihre Branche ausgesetzt ist. In der Innenstadt haben klassische Spielzeugläden aufgegeben — vom Imaginarium bis hin zu Klassikern wie Schaper und Lütgenau, was nach 134 Jahren schließen musste. Und selbst Toys „R“ Us hat Insolvenz angemeldet.

„Vor allem der Online-Handel hat der Branche zugesetzt“, sagt Sven Schulte, Handelsreferent bei der IHK. Die hohen Mieten in der City täten ihr Übriges. Aber: „In den Stadtteilen gibt es noch die inhabergeführten Läden, die eine große Bandbreite abdecken und den besonderen Zauber versprühen.“ Dazu zählen das Spielschiff an der Kaiserswerther Straße, Hobby und Spiel Müller an der Benderstraße, Phantasalto an der Belsenstraße und Hotzenplotz Spielwaren in Angermund. Mehr ist es nicht. Abgesehen zumindest von Spezialgeschäften — für Rollenspiele, von Steiff in der Kö-Galerie und Playmobil in den Bilker Arcaden sowie dem Filialisten Intertoys an der Friedrichstraße.

Mamerow, die noch bei Lütgenau ihre Prüfung gemacht hat, fühlt sich nicht existenziell bedroht. „Dadurch, dass es weniger Geschäfte gibt, hat sich unser Einzugsgebiet vergrößert.“ Sogar aus Monheim, Langenfeld, Dormagen und Neuss kämen Kunden. Wie sie es geschafft hat, sich zu behaupten? „Mit viel Arbeit und Liebe zum Beruf.“ Wichtig sei ihr immer gewesen, Zeit für die Kunden zu haben und menschlich mit ihren Mitarbeitern umzugehen. „Da ist eine Familie geworden.“ Und Ingrid Baxmann nickt, die seit 23 Jahren im Laden arbeitet. Auch die beiden Söhne von Mamerow helfen mit, bei Buchhaltung und Facebook-Auftritt.

„Wir müssen mit der Zeit gehen“, sagt Mamerow. Also stehen auch einige Sachen im Regal, die sie kritisch sieht. Etwa die Marke Topmodel mit fragwürdigen Glamourgirl-Rollenbildern. Auch Barbie mag sie nicht wirklich, deshalb hat sie sie wohl unten ins Regal verbannt. Besser zur Geltung kommen da die Käthe-Kruse-Puppen.

Mamerow wundert sich, dass Spielzeug wieder mehr auf Jungen oder Mädchen zugeschnitten wird. „Ich kann das nicht erklären.“ Ein Grund ist wohl, dass die Industrie auf höhere Umsätze hofft. Augenfällig wird das etwa bei Lego, das mit „Friends“ und lilafarbenen Kartons eine Mädchen-Serie aufgelegt hat. Da steht das Cupcake-Café auf der anderen Regalseite als das Star-Wars-Raumschiff „Arrowhead“.

Dennoch, bei allem Zeitgeist und allen Kundenwünschen, Mamerow zieht klare Grenzen. Alles was blinkt und bimmelt hat sie weitestgehend aussortiert. „Wir haben mal kurz den Gameboy ausprobiert. Aber das sind nicht wir.“

Sie erinnere sich auch an Produkte wie eine Matte für Babys, die bei Berührung Geräusche macht oder ein Keyboard, das Melodien abspielt. Beides bietet sie nicht mehr an. „Kinder sollen nicht passiv konsumieren, sondern selbst die Welt begreifen lernen.“ Überhaupt sagt Mamerow oft „lernen“, nachdem sie „spielen“ gesagt hat. Außerdem sollten Kinder beim Spielen zur Ruhe kommen, sie seien heute sowieso reizüberflutet.

Und so setzt sie vor allem auf Klassiker. Sachen zum Mitspielen wie „Uno“ und „Mensch ärgere dich nicht“, Puzzle und Malbücher. Sogar eines der aktuellsten Spielzeuge im Sortiment gehört dazu, das Design ist futuristisch, im Grunde handelt es sich aber schlicht um eine Kugelbahn.

Die Spielzeugindustrie steuert der Reizüberflutung mit einem jährlich wachsenden Angebot nicht entgegen. „Früher baute Spielzeug eher aufeinander auf, der Experimentierkasten konnte nach und nach erweitert werden. Heute muss es gleich was ganz Neues sein.“ Den Wünschen der Eltern tritt Mamerow deshalb mit gezielten Nachfragen entgegen: „Was hat das Kind denn schon? Welche Bereiche sind abgedeckt?“ Am Ende rät sie dann lieber mal von einem Kauf ab.

Spielzeug ist eben nur dann ein Glücksversprechen, wenn es zum Kind passt. Deshalb will Mamerow jetzt Kurse anbieten, in denen sie den Sinn eines bestimmten Spielzeugs erklärt. Und wahrscheinlich ist dieser fast erzieherische Anspruch das Erfolgsrezept: Verkaufen ja, aber nicht ohne Pädagogik. Auch nicht zu Weihnachten.

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