Interview Ein Damen-Doppel für Düsseldorfs Knast

JVA-Leiterin Elke Krüger und ihre Stellvertreterin Ulrike Müller über die aktuellen Herausforderungen im Vollzug.

Interview: Ein Damen-Doppel für Düsseldorfs Knast
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Das Büro von Elke Krüger ist freundlich und hell, auf dem Tisch stehen Kerzen. Die 54-Jährige lacht und lächelt viel. Genau wie Ulrike Müller (40), die bei unserem Gespräch neben ihr sitzt. Es passt kaum, dass man vom Fenster aus auf die einfachen Gebäuderiegel mit vergitterten Fenstern schaut. Elke Krüger leitet seit zweieinhalb Jahren die JVA Düsseldorf, seit zwei Monaten hat sie mit Ulrike Müller eine neue Stellvertreterin. Die weibliche Doppelspitze für den Riesenknast mit über 800 Gefangenen. Allesamt männlich.

Frau Krüger, Frau Müller, Sie beide sind aus dem Offenen Vollzug nach Düsseldorf gekommen. Was ist anders?

Elke Krüger: Der Schlüssel. Man muss wirklich sehr viele Türen schließen. Wie viele jeden Tag — das habe ich nie gezählt.

Ulrike Müller: Man kann beides eigentlich gar nicht vergleichen. Offener Vollzug sieht aus wie ein schöner Park — nicht wie ein Gefängnis.

Ist es ungewöhnlich, dass zwei Frauen ein Männergefängnis führen?

Krüger: Nein, gar nicht mehr. Es gibt immer Wellen, in denen mal mehr Frauen, mal mehr Männer eingestellt werden. Früher gab es natürlich viele männliche Anstaltsleiter — aber inzwischen sind unter den Juristen eben viele fähige Frauen.

Verändert es den Alltag in der JVA?

Müller: Nein. Wir haben hier ja eine ganz klare Funktion — und die füllen wir aus.

Krüger: Da sind sachliche Entscheidungen zu treffen. Ob Mann oder Frau spielt keine Rolle. Die Gefangenen sind auch generell der Anstaltsleitung gegenüber sehr höflich. Wo man es merkt, ist der Abteilungsdienst: Ich habe schon das Gefühl, dass viele Gefangene da den weiblichen Bediensteten gegenüber zuvorkommender sind. Sie machen sich auch mal schick zur Frühstücksausgabe.

Fast fünf Jahre liegt der Umzug von der Ulmer Höh’ in den Neubau zurück. Wie hat sich das Leben hier eingespielt?

Krüger: Sehr gut. Die Arbeitsabläufe sind damals ja alle am grünen Tisch entstanden, und Etliches musste nachgesteuert werden. Inzwischen hat man sich aber gefunden. Es ist ohnehin immer ein Prozess, bei dem jeden Tag optimiert wird. Oder was meinen Sie, Frau Müller?

Müller: Allein die Größe ist eine Besonderheit und eine Herausforderung. Da braucht man Strukturen. Man begegnet sich nicht einfach mal so und kann etwas besprechen. Das muss man planen.

Krüger: Besonders in diesem Jahr — da waren wir oft bis unters Dach voll, hatten wir oft keinen einzigen Haftplatz frei und mussten sogar Gefangene an andere Anstalten abgeben.

Frau Krüger, Sie waren früher auch mal stellvertretende Leiterin in der Ulmer Höh’ und kennen noch die offenen Etagen, die kurzen Kommunikationswege. Wie läuft das hier jetzt?

Krüger: Ganz anders. Die Bediensteten haben feste Konferenzen für einen guten Informationsfluss — das ist ein ganz ausgeklügeltes System. Früher gab es auch für die Gefangenen viel mehr Freiheit. Die sie natürlich zu nutzen wussten. Hier ist Kommunikation jetzt gesteuert. Eher sogar erschwert. Aus vollzuglicher Sicht ist das durchaus ein Vorteil.

Können Sie hier Geschäfte unter den Gefangenen und auch Drogenhandel eher verhindern?

Krüger: Über die Mauer werfen wie in der alten Ulm kann man hier jedenfalls kein Rauschgift. Wir haben ein sehr gutes Kamerasystem, das auch die Gefangenen in der Freizeit beobachtet.

Müller: Es sind Kameras, mit denen man sehr genau zoomen kann, um Situationen zu erkennen; auch zum Beispiel Geschäfte zwischen den Insassen.

Krüger: Trotzdem gilt selbstverständlich: So lange es Außenkontakt gibt, wird es auch Wege geben, Drogen hier reinzubringen. Wir sind nicht unter einer Käseglocke. Die Gefangenen sind sehr findig — und sie haben ja den ganzen Tag Zeit.

Müller: Der Kontakt ist ja auch wichtig und gewünscht.

Krüger: Ja, wichtig für die spätere Wiedereingliederung der Gefangenen. Das klappt viel leichter, wenn es noch soziale Bindungen gibt.

In anderen Bundesländern gab es zuletzt immer wieder Berichte über Ausbruchsversuche, oft über Suizide in Gefängnissen. In Düsseldorf scheint es ruhiger zu sein ...

Krüger: Es gab noch nicht einen einzigen Ausbruchsversuch hier. Nicht mal im Ansatz. Suizide haben wir aber auch und werden sie nie komplett verhindern können. Wir hatten in diesem Jahr einen Fall — da gab es bis zuletzt keine Hinweise vom Gefangenen, nicht gegenüber den Bediensteten und auch nicht gegenüber anderen Häftlingen. Da sind wir auch ein Stück weit machtlos.

Als Sie, Frau Krüger, Ihren Dienst in Düsseldorf aufnahmen, hieß es, die JVA solle mehr Langzeitgefangene aufnehmen. Wie verändert das die Arbeit?

Krüger: Das weiß ich auch noch nicht — weil wir immer noch nicht so weit sind. Das braucht Zeit. Alle Entscheidungen sind getroffen und wir sind intern darauf eingestellt. Aber mit der Umsetzung dauert es noch.

Warum trennt man Kurzzeit- und Langzeitgefangene überhaupt?

Krüger: Hat man viele Kurzzeitgefangene, ist die Fluktuation automatisch sehr hoch. Für viele lohnt es sich nicht, sich auf Angebote einzulassen. Bei langstrafigen Gefangenen geht es viel mehr darum, die Zeit sinnvoll zu nutzen — mit Gesprächskreisen, Arbeit, auch Schuldnerberatung. Es ist eine intensivere Arbeit. Und man merkt es schon in der Atmosphäre einer Anstalt — es ist ruhiger, geordneter. Bei Kurzstrafen herrscht mehr Gewimmel.

Es gab jüngst Berichte im Justizministerium über Schwierigkeiten mit nordafrikanischen Gefangenen, die aus Protest Wände mit Kot und Blut beschmierten — angeblich verstärkt auch in Düsseldorf.

Krüger: Ganz ehrlich: Wir haben das hier nicht. Sie greifen auch keine Bediensteten an. Was wir haben, sind psychisch auffällige Gefangene — gleich aus welchem kulturellen Raum —, die völlig unberechenbar sind. Und ja, sie beschmieren auch mal die besonders gesicherten Hafträume. Das ist sehr viel mehr geworden — Experten sehen einen Zusammenhang mit dem Drogenkonsum. Diese Menschen gehören eigentlich nicht in den Vollzug, aber was sollen wir machen? Die Therapieplätze sind alle voll. Mit Gefangenen aus Nordafrika haben wir in der Tat Probleme, weil sie weiblichen Bediensteten gegenüber zunächst oft nicht so respektvoll sind, wie wir uns das wünschen. Da sind wir aber sehr konsequent. Wer die Anstaltsärztin verweigert, wird eben nicht behandelt. Viele brauchen drei bis vier Wochen, um sich anzupassen, dann gibt es im Alltag immer weniger Probleme. Für Düsseldorf ist das aber nichts Neues, wir hatten hier immer schon Gefangene aus dem nordafrikanischen Raum.

Ein Dauerbrenner ist die Diskussion um angeblichen „Drehtürvollzug“ — die Gefangenen werden entlassen und sind bald wieder da. Evaluieren Sie die Rückfallquote Ihrer Häftlinge?

Krüger: Nein, das gibt es für Düsseldorf aufgeschlüsselt nicht. Wenn ein Gefangener geht und nicht wiederkommt, weiß ich leider nie: Ist er nicht mehr rückfällig geworden? Oder sitzt er vielleicht nur woanders ein?

Müller: Es gibt aber schon Untersuchungen, dass etwa berufliche Qualifikation rückfallmindernd wirkt.

Die JVA Düsseldorf verfügt über sehr moderne Betriebsstätten — aber es fehlte lange an Unternehmen, die ihre Jobs auch Gefangenen geben wollten. Hat sich das gebessert?

Krüger: Das hat es. Der Leiter unserer Arbeitsverwaltung muss keine Klinken putzen, die Aufträge kommen rein. Aber es ist sehr konjunkturabhängig und schwankt stark. Wir würden uns natürlich Firmen wünschen, die Gefangene kontinuierlich beschäftigen. Das hilft unter anderem für das Selbstwertgefühl. Wir haben aber inzwischen eine sehr gute Kooperation mit der Werkstatt für angepasste Arbeit. Wir geben uns gegenseitig Aufträge, das ist ganz eng. Jetzt bauen wir gerade noch eine eigene Schneiderei auf. Was wir schon ausgebaut haben, ist unsere Arbeitstherapie für die, die erst lernen müssen, überhaupt morgens aufzustehen und sich mehr als eine halbe Stunde am Stück auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Da haben Gefangene plötzlich ganz selbstständig ein Haus aus Filz gefertigt — mit so viel Liebe zum Detail und Geduld. Ganz toll.

Die Anstalt hat auch Sporthalle und -platz. Läuft das Angebot reibungslos?

Krüger: Es ist ein soziales Trainingsfeld und sehr wichtig für uns. Wir wollen, dass jeder Gefangene mindestens ein Mal in der Woche Sport treiben kann. Aber ich kann das nur machen, wenn ich das Personal habe. Und wenn zwei Bedienstete einen Gefangenen im Krankenhaus bewachen müssen, muss ich sie anderswo abziehen. Auch bei den Sportangeboten. Das merkt man atmosphärisch in der Abteilung sofort.

Gibt es beim Sport auch mal Konflikte?

Krüger: Nein, das ist wirklich erstaunlich. Die Gefangenen schätzen das Angebot sehr. Wenn es Auseinandersetzungen gibt, dann beim Hofgang. Wir bieten übrigens nicht nur Team- und Kraftsport an — sondern auch Rehasport. Denn: Wir haben immer mehr auch Gefangene über 60. Wir bilden hier eben ein Stück weit auch die Gesellschaft ab.

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