Ein Arzt und Forscher mit Sinn für Poesie

Der Herzspezialist Bodo-Eckehard Strauer geht in Rente. Kein Grund für ihn, mit dem Golfspielen zu beginnen.

Düsseldorf. Den ersten Herzkatheter hat Bodo-Eckehard Strauer einem Frosch gelegt. Weil es jedoch für das winzige, nur sechs Milligramm leichte Herzchen keinen passenden Katheter gab, bastelte er selbst einen aus feinsten Glaskapillaren. Die filigrane Arbeit war Bestandteil von Strauers Doktorarbeit. Als er sie abschloss, war er 20 Jahre alt.

Strauer wurde Assistent an der Medizinischen Klinik der Universität Göttingen, wechselte als Professor nach München, übernahm 1987 in Düsseldorf die Klinik für Kardiologie und errang 2001 Weltruf durch seine Stammzell-Therapie. Am 27.Februar wird der Arzt und Forscher nach 22 Jahren an der Universitätsklinik Düsseldorf emeritiert.

So klar und logisch, wie sich der Lebensweg des 65-Jährigen rückblickend darstellt, war er nicht. Auch wenn er als Junge mit einem Verbandskasten die ganze Familie versorgte. "Als ich mein Abitur gemacht habe, stand ich vor der Wahl Germanistik und Philosophie oder Medizin zu studieren. Ich habe mich dann für Medizin entschieden. Sie ist so schön strukturiert."

Und doch hat Strauer viel für eine poetische Betrachtung der Wirklichkeit übrig, er liebt die Literatur. Von Theodor Fontane hat er alles gelesen. Ganz genau kann er sich an die Szene in Thomas Manns Roman "Buddenbrooks" erinnern, als Thomas Buddenbrook einen Schmerz falsch deutet, sich einen Zahn ziehen lässt und nur wenige Stunden später tot auf der Straße zusammenbricht. "Ein Hinterwandinfarkt", diagnostiziert Strauer. "Das Herz ist Krankheit, Symbol, Metapher." Eben mehr als nur ein Organ.

Dazu passt die Wahrnehmung des Christen Strauer von Leben und Tod. "In Grenzfragen hilft der Glaube weiter", sagt der Protestant. "Bei Schwerstpatienten genauso wie bei neuen Therapien." Als er und seine Mitarbeiter vor sieben Jahren die Stammzell-Therapie auf den Weg bringen, ist das für Strauer Bestandteil eines Prozesses. "Ein logischer Schritt folgt auf den nächsten." Die Anfeindungen von Forschungskollegen beschäftigen ihn, aber bekümmern ihn nicht. "Das ist in der Wissenschaftswelt eben so. Ich meine, wir können alles machen, aber wir dürfen niemandem schaden. Das wäre eine unethische Therapie."

Die Stammzell-Therapie wird Strauer auch nach seiner Zeit als Klinik-Chef weiter beschäftigen. Es gibt Anfragen aus dem Ausland, wo Therapiezentren aufgebaut werden sollen. Zudem laufen noch drei große Studien, und es steht eine Gastprofessur in Rostock an. "Ich gehe fröhlich", sagt Strauer. "Das wäre anders, wenn ich nichts mehr zu tun hätte." Nur noch Golf spielen, nein, das sei nicht seine Sache.

Schwer fällt ihm der Abschied von dem Patientenstamm, von den Projekten, seinen Mitarbeitern. "Sie alleine zu lassen, tut mir leid", sagt Strauer, der auch nach Jahrzehnten der Routine jeden Morgen mit seinen Schwestern wie Ärzten Todesfälle und Neuzugänge bespricht. Jeden einzelnen Menschen.

"Die Schwestern und Pfleger, das gesamte Personal schuftet schwer", sagt Strauer. "Ohne zu murren, bewältigen sie ihre Arbeit. Wenn in München drei Herzinfarkte gleichzeitig zu behandeln sind, wird erst mal gestöhnt. Hier legen alle sofort los. Das muss die zupackende Mentalität des Rheinländers sein", sagt Strauer schmunzelnd.

Düsseldorf, die Stadt, in der er lebt, möchte er künftig intensiver erleben. "Das ist lange viel zu kurz gekommen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort