Durch die Baustellen ist Erwin allgegenwärtig

Der Polit- und Amtsbetrieb vermisst den fordernden und agilen Ex-OB eher weniger.

Düsseldorf. Wird der am Mittwoch vor einem Jahr verstorbene Joachim Erwin im politischen Düsseldorf vermisst? Wohl eher nicht so. Denn er war dem Polit-Verwaltungskomplex ein eher unangenehmer Chef - und Gegner: Seine etwas schläfrige CDU-Fraktion hielt er permanent auf Trab, die Opposition machte er nieder, wo es nur ging. Und das ging oft. Wenn der Boss extrem ehrgeizig, fleißig, sachkundig und fordernd ist, lebt es sich auch in Amtsstuben nicht so gut, das ist ganz menschlich. Vor Joachim Erwin hatten im Rathaus, aber auch bei den städtischen Tochterunternehmen bis hin zur Fortuna nicht wenige Leute Manschetten. Um nicht zu sagen: Angst. Ob sie berechtigt war, sei mal dahin gestellt. Seit dem Amtsantritt von Dirk Elbers ist das Klima in dieser Hinsicht auf jeden Fall deutlich milder geworden.

Dem Bürger kann das schnuppe sein. Für ihn ist Joachim Erwin gerade in der Innenstadt noch allgegenwärtig. Denn die wird an allen Ecken und Enden aufgerissen und umgebaut - und zwar nach Beschlüssen, die der verstorbene OB durchgesetzt hatte. Erwins Vermächtnis wird jetzt und in den nächsten Jahren sozusagen in Beton gegossen.

Dass unter seinem Nachfolger Elbers deutlich weniger Großprojekte angegangen werden, hat nichts mit Lethargie und auch (bisher) nichts mit der Finanzkrise zu tun. Denn Erwin hatte seinerseits schon 2007 den Fuß vom Gas genommen und verkündet, die wichtigsten Investitionen (Schule, Verkehr, Sportplätze) seien initiiert, jetzt gehe es ums Abarbeiten. "Wir können und werden nun die Schlagzahl reduzieren", hatte er damals gegenüber der WZ gesagt.

Reduziert hat sich seit Erwins Tod auch die Zahl der verbalen Schläge. Wer ihn nicht mochte, wird froh sein, dass nicht mehr ein ständig unter Strom stehendes, oft leicht aggressiv gestimmtes politisches Alpha-Tier das Sagen in der Stadt hat. Wer ihm wohlgesonnen war, wird auf der anderen Seite einen Mann vermissen, der durch und durch unjovial war und der kaum etwas so verachtete, wie eine zufrieden vor sich hin köchelnde, mittelmäßige Konsenssoße.

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