Duisburg — Du Perle in Feinripp

Düsseldorfs Nachbarstadt im Norden ist besser als ihr Ruf. Davon ist unser Autor überzeugt. Eine Art Liebeserklärung.

Ruhrpott- und Arbeiterkulisse im Abendrot: Hinter zwei Hochöfen von ThyssenKrupp in Duisburg geht die Sonne unter.

Ruhrpott- und Arbeiterkulisse im Abendrot: Hinter zwei Hochöfen von ThyssenKrupp in Duisburg geht die Sonne unter.

Foto: Roland Weihrauch

Warum nur Duisburg? So in etwa war die Reaktion meiner Freunde, als ich ihnen sagte, dass ich in den Norden ziehe. Von Düsseldorf aus gesehen. Satte 25 Kilometer weit. Was folgte, war eine Aufzählung so ziemlich sämtlicher Klischees über Duisburg, die je nach Düsseldorf durchdrangen. In etwa: Die Stadt ist dreckig und heruntergekommen, die Menschen arbeitslos oder kriminell, manche sogar beides. Bereits zum Frühstück isst man dort Pommes-Currywurst. An jedem zweitem Fenster sitzt ein Rentner im Feinripp-Unterhemd. Und nach Einbruch der Dunkelheit sollte man sich lieber nicht in der Öffentlichkeit aufhalten — viel zu gefährlich.

Duisburg — Du Perle in Feinripp
Foto: grhi

In jedem Satz sagt der Duisburger mindestens einmal „Hömma“, „woll“ oder „getz“ in breitestem Ruhrpott-Westfälisch. Und überhaupt, was soll man schon von einer Stadt halten, deren bekannteste Persönlichkeit Horst Schimanski heißt, also gewissermaßen nur als erfundener Kripo-Proll existiert? Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Dies sind Klischees. Nicht alle stimmen auch wirklich!

Es ist an der Zeit für eine Richtigstellung: Duisburg ist schön! Zumindest teilweise. Und entspannt. Von Baustellenstress und Bling-Bling-Alarm geplagte Düsseldorfer sollten es ruhig einmal ausprobieren. Zum Beispiel am neuen Rheinpark in Hochfeld. Ja, richtig, im angeblichen Problemstadtteil Hochfeld. Dort kann man sogar am künstlichen Strand seinen Feierabend verbringen. Gab es auch mal in Düsseldorf, und viele vermissen es noch heute. Zwei Jahre habe ich in Hochfeld gewohnt, dann bin ich in den Nachbarstadtteil Neudorf gezogen.

Ins Grüne, direkt an den Stadtwald. Der ist mit 600 Hektar so groß, dass Grafenberger und Aaper Wald zusammen zweimal hinein passen würden. Nachteil: Das Bier hat am Büdchen 40 Cent mehr gekostet als in Hochfeld. Kommentar des Kioskbesitzers: „Du wohnst ja jetzt auch im Beverly Hills von Duisburg.“ Ach so, ja dann . . . Wobei, mich persönlich erinnert Neudorf ja mehr an Unterrath. Das angrenzende Kaiserberg ist dagegen wirklich schick.

Ruhrpott-Westfälisch sprechen in Duisburg übrigens nur zugezogene Westfalen. Duisburg liegt nämlich am Niederrhein, genauso wie Düsseldorf. Auch Pils- und Altbiertrinker halten sich in etwa die Waage. Manche Klischees stimmen aber auch auf wundersame Weise mit der Realität überein. Der am Fenster sitzende Rentner im Feinripp etwa. Ich habe ihn gesehen, er musste schon sehr lange dort gesessen haben. Das Graffito unter seiner Fensterbank war vom Wetter halb verwaschen. „Sylvester Stallone“ hatte ein Scherzbold darunter gesprüht. Die Ähnlichkeit muss in früheren Jahren wohl größer gewesen sein.

Es gibt ein berühmtes Klischee über Düsseldorf, das besagt, das hier der Banker und der Bauarbeiter abends zusammen beim Bier im Brauhaus sitzen. Die Aufhebung aller Klassengrenzen, ein schönes Klischee — mehr aber auch nicht. In Duisburg dagegen wird es gelebt. Es gibt sie, die Kneipen, in denen der Steuerberater und der Schlosser einhellig nebeneinander sitzen. Warum auch nicht? Man muss sich ja nicht auch noch nach Feierabend über den Beruf unterhalten. Als Außenstehender wird man zwar schon mal mit hochgezogener Augenbraue und einem freundlichem „Was bist du denn für einer“, begrüßt. Die Antwort ist aber oft schon egal. Toleranz ist nämlich kein Lippenbekenntnis, das wahr wird, wenn man es nur oft genug wiederholt.

Heute bin ich häufig zu Besuch in Duisburg. Denn an manchen Punkten in der Stadt kann man sie spüren, diese Atmosphäre von Freiheit, die es in jeder Hafenstadt in irgendeiner Ecke gibt. Und da, wo in Düsseldorf Hektik und Überdrehtheit herrschen, nämlich in seinem sich ständig wandelnden Zentrum, bleibt Duisburg stets ruhig und gelassen.

Übrigens, auch wenn ich den Antrag des AStAs, die Duisburger Universität in Horst-Schimanski-Universität umzubenennen, seinerzeit vehement befürwortet habe. Der berühmteste Duisburger, das ist nicht Horst Schimanski, das ist für mich immer noch Toni Turek. Der Fußballgott und Fortune, dem in Düsseldorf ein Denkmal gesetzt wurde, war nämlich ein waschechter Duisburger.

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