2030: 660.000 Einwohner Düsseldorf wächst und wächst

Die Stadt hat jetzt 635.000 Einwohner. 2030 sollen es schon 660.000 sein. Stadtforscher sieht Kapazitätsgrenzen erreicht.

2030: 660.000 Einwohner: Düsseldorf wächst und wächst
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Düsseldorf. Düsseldorf wächst immer weiter. In diesem Jahr liegt die Einwohnerzahl erstmals seit den 70er Jahren wieder über der 630.000-Schwelle, wie das Amt für Statistik mitteilt. Ende November verzeichnete die Stadtverwaltung 635.765 Düsseldorfer. Damit steigt die Einwohnerzahl seit mehr als 15 Jahren nahezu unaufhörlich. Bei 580.484 lag sie noch im Jahr 2000 (siehe Grafik). Das heißt: sie hat mittlerweile um rund zehn Prozent zugelegt.

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Der aus statistischer Sicht nüchterne Grund: Es ziehen mehr Menschen nach Düsseldorf als fortziehen. 46.000 kamen im vergangenen Jahr in die Stadt, nur 40.000 verließen sie. Vor allem die Altersgruppe der 18 bis 30-Jährigen strömt laut Norbert Jelonnek-Krah vom Amt für Statistik und Wahlen nach Düsseldorf — in erster Linie um hier zu arbeiten sowie Studium oder Ausbildung zu beginnen. Weiterer Faktor sind Einwanderungsbewegungen u.a. von Flüchtlingen. Ein Anhaltspunkt dafür ist der gestiegene Ausländeranteil. Lag der im Jahr 2006 noch bei 18,3 Prozent, waren es 2013 schon 19,7, in diesem Jahr liegt er bei 22,3 Prozent.

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Ein Ende des Wachstumstrends ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die Statistiker der Stadt sagen auf Grundlage etwa auch der geplanten Neubauten voraus, dass es im Jahr 2030 rund 660.000 Düsseldorfer geben wird. Das beutetet: die Landeshauptstadt soll nicht mehr so schnell wachsen wie in den vergangenen Jahren. „Wir gehen langfristig davon aus, dass der demografische Wandel dazu führt, dass weniger vor allem junge Menschen nach Düsseldorf ziehen“, sagt Jelonnek-Krah. Zudem prognostiziert das Amt, dass nicht mehr so viele Flüchtlinge wie in den letzten Jahren aufgenommen werden müssen.

Die Stadt wächst also weiter. Doch sind das gute oder schlechte Nachrichten für Düsseldorf? Stadtforscher Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf fällt ein deutliches Urteil: „Die Stadt hat ihre Kapazitätsgrenzen erreicht.“ Zum einen gebe es einen Wohnungsmangel für Normalverdiener, zum anderen sei das Verkehrsnetz überlastet.

„Der Wohnungsmarkt ist gesättigt, was sich schon an den sehr hohen Preisen für mittlere Qualität ablesen lässt.“ Neubauten lösen das Problem aus Eicheners Sicht nicht. Ein zeitlicher Faktor sei, dass es oft viele Jahre dauere, bis Projekte realisiert sind. Und ein räumlicher, dass es ein politisches Tabu sei, Freiflächen wie in Hubbelrath oder Himmelgeist zu bebauen. „Des Weiteren sind die Grundstückspreise in der Stadt viel zu hoch, so dass Wohnungsbau für Normalverdiener nicht mehr möglich ist.“ Noch könnten sich viele das Leben in der Stadt leisten, weil sie alte Mietverträge besäßen. „Doch wer umziehen muss, findet nichts Vergleichbares mehr.“

Auch im Verkehr der Stadt sind für Eichener die Grenzen des Zumutbaren erreicht. Auf den Straßen blieben Autofahrer im Berufsverkehr stets „in irgendeinem Flaschenhals stecken“. Neben der Zahl der Einwohner müssten auch die 300.000 Einpendler pro Tag einberechnet werden. Der öffentliche Nahverkehr sei im Gegensatz zu Städten wie Köln mit einem sehr guten Straßenbahnnetz und Berlin sowie Hamburg mit großen und leistungsfähigen U-Bahn-Netzen keine Alternative. „In Düsseldorf sind das zum Teil 100 Jahre alte Routen, die nicht mehr zeitgemäß sind.“ Fürs Umsteigen müsse zudem zu viel Zeit mitgebracht werden, da der Takt nicht hoch genug sei. Nach der Ankunft im Hauptbahnhof benötige man etwa inklusive Geh- und Umsteigezeiten eine Dreiviertelstunde bis zur Heine-Uni. Wer aus dem Umland komme, sei trotz der Staus mit der Bahn zum Teil dreimal so lange unterwegs wie mit dem Auto.

Für Eichener ist klar: Wenn die Stadt weiter wächst, hat das eine deutlich geringere Lebensqualität zufolge. „Im Moment ist der Jubel der Schwarmstädte groß, aber der wird ihnen im Halse stecken bleiben.“

Die Lösung liegt für den Politikwissenschaftler in regionaler Zusammenarbeit. „Es braucht eine Art Risikostrukturausgleich.“ Es sei paradox, dass eine wachsende Stadt wie Düsseldorf durch vergleichsweise niedrige Gewerbesteuersätze noch mehr Unternehmen und damit noch mehr Menschen anziehe. Denn gleichzeitig gebe es in unmittelbarer Nähe schrumpfende und arme Städte wie Duisburg, in der Wohnungen leer stehen. Und die sehen sich aufgrund der Auflagen der Kommunalaufsicht gezwungen, Hebesätze zu erhöhen — was wiederum Unternehmen abschreckt und neue Steuereinnahmen verhindert.

Eichener schwebt eine radikale Reform der Gewerbesteuerpolitik vor. „Die Kommunalautonomie stammt aus dem Mittelalter und hilft an dieser Stelle nicht mehr weiter. Das Ziel müssten gleichwertige Lebensverhältnisse sein und kein Wettbewerb der Städte.“ Zumal eine genaue Kosten-Nutzen-Analyse für Düsseldorf zum Ergebnis kommen müsse, dass mehr Unternehmen zwar auch mehr Gewerbesteuereinnahmen in der Kasse bedeuteten, gleichzeitig aber die Lebensqualität nachlasse und der nötige Ausbau der Infrastruktur hohe Kosten verursache.

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