Düsseldorf - Schickimicki-Zentrale von NRW

Düsseldorf ist die etwas zu gut angezogene Nachbarin, über die man gerne spricht. Zum Kaffeetrinken lädt man sie jedoch nicht ein.

Ein Graben teilt die Königsallee in eine Ost- und eine Westseite. Einst befand sich hier die Festungsanlage.

Ein Graben teilt die Königsallee in eine Ost- und eine Westseite. Einst befand sich hier die Festungsanlage.

Foto: Nanninga, Bernd (bn)

15 Jahre lang war Düsseldorf nur ein Currywurst-Stand. Mit der Straßenbahn, später mit dem Auto, ging es nach Kaiserswerth, denn dort gab es die beste Currywurst weit und breit. 1-A-Fastfood. Mehr Düsseldorf war nicht relevant. Von Kaiserpfalz und Basilika wussten wir nichts, Schloss Benrath war sonntägliches Ausflugsziel mit den Eltern und deswegen doof, und die Altstadt wurde erst interessant, als ein Geo-Heft auf fünf Seiten die Bedeutung des Ratinger Hofs für die europäische Musikgeschichte darlegte. Der legendäre Ursprungsclub war da allerdings schon lange geschlossen, und was dort seither aus den Boxen kommt, geht gar nicht.

Düsseldorf - Schickimicki-Zentrale von NRW
Foto: grhi

Düsseldorf hatte und hat bei den Duisburgern einen Ruf: Schickmicki-Zentrale mindestens in NRW, teuer und etepetete. Es ist die ein bisschen zu gut angezogene Nachbarin, die zuweilen arrogant wirkt. Man guckt sie interessiert an, redet auch gerne über sie, aber zum Kaffeetrinken lädt man sie sich nicht nach Hause ein.

Das hat auch damit zu tun, dass man im Ruhrgebiet bevorzugt über die Dinge spricht, auf die es im Leben ankommt: Miete, Kinder, Jobsuche, Lebensmittelpreise. Schnörkellos und ohne abzuschweifen. In dem unsentimentalen Kleinst-Dialog „Wie iset? Muss“ steckt sehr viel Ruhrpottwahrheit. Wenn es nichts mehr zu sagen gibt, dann einfach den Mund halten und tschüss.

In Düsseldorf würde das so nie funktionieren. Ich staune auch nach den vielen Jahren, die ich jetzt schon am Rhein lebe, noch immer über das Abschiedsritual der Düsseldorfer am Ende eines Abends mit Freunden, die man schon am nächsten Morgen zum Brunch wiedertrifft. Unter einer halben Stunde kommt man nicht weg. „Vielleicht doch noch ein Absackerchen?“ Oft genug wird der Mantel wieder aufgeknöpft, weil es einem in der Diele heiß geworden ist bei der Debatte darüber, ob es nicht doch schöner gewesen wäre, im Café XY in Flingern fürs Frühstück zu reservieren, was Unsinn ist, da das Lokal sonntags nie öffnet.

Seinen abstrusen Höhepunkt erreichte das Palavern um des Palaverns willen vor einiger Zeit bei einem Arztbesuch. Eine Freundin litt nach der Einnahme der Malaria-Prophylaxe Lariam extrem unter den Nebenbewirkungen des Medikaments. Ihre Mutter begleitete sie zum Arzt und nutzte die erste Gelegenheit, da dieser Luft holte, um mit ihm das Wesentliche zu erörtern. „Ich darf mal kurz dazwischen, Herr Doktor“, flötete die elegante Dame. „Kann es eigentlich sein, dass ich von Champagner weniger aufstoßen muss als von Prosecco?“ Das ist kein erfundenes Zitat aus einem Kom(m)ödchen-Kabarett sondern die reine Wahrheit.

Sei es drum. In der Dolce-Vita-Mentalität der Düsseldorfer steckt viel Lebensfreude, mit der sich sogar schlimme leidenschaftliche Enttäuschungen glätten lassen. Wie sonst ist zu verstehen, dass die Fortuna trotz unterirdischer Spielweise (ja, ja, zuletzt in Hochform) die Arena mit den wohl emphatischsten Fans der Republik füllt. So viel Gratis-Altbier kann man gar nicht verteilen, um diese sensationelle Stimmung zu erzeugen.

Klar, kann es einem auf den Keks gehen, dass Heino, Heike Makatsch und Marius Müller-Westernhagen nach wie vor als Düsseldorfer einkassiert werden, obwohl sie schon seit Jahrzehnten anderswo leben und sich in ihrer Heimatstadt nur blicken lassen, wenn es bei Konzerten was zu verdienen gibt. Aber mit der munteren Philosophie „Wo kein Promi ist, da basteln wir uns einen“ fährt der selbstbewusste Düsseldorfer in punkto Eigenmarketing gar nicht mal schlecht. Und nur Miesepeter können etwas dagegen haben, dass er seine Stadt auch noch mag.

Dieser überbordende Lokalpatriotismus geht manchem Duisburger ab, was schade ist, denn ein Ausflug in die Nachbarstadt mit ihrem reichen Kulturangebot, schönen Parks, bunter Szene etwa in Bilk und guten Restaurants lohnt allemal. Es muss ja nicht die mit Blattgold überzogene Currywurst sein. Über die kann man lästern. Essen muss man sie nicht.

Außerdem gibt es ja noch die Imbissbude in Kaiserswerth. Sie ist mittlerweile vom Markt zur Haltestelle am Klemensplatz umgezogen. Aber immer noch ganz nah dran an Duisburg.

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