Düsseldorf, Juli 1914: Die trügerische Ruhe vor dem Sturm

Die Großstadt bereitete sich auf den Sommer vor. Doch dann fielen die Schüsse in Sarajevo.

Düsseldorf. Während am 28. Juni 1914 in Sarajevo die tödlichen Schüsse auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und Gemahlin, feuerten in Grafenberg bei herrlichem Sommerwetter die Zuschauer Pferde und Jockeys bei einem Rennen an. Als die Nachricht vom tödlichen Attentat an der Rennbahn eintraf, soll sie kein großes Aufsehen bei den Besuchern des Rennens erregt haben.

Ohnehin waren Presse und Bevölkerung in den letzten Monaten schon emotional an eine „europäische Dauerkrise“ gewöhnt. Die europäischen Staaten erzeugten mit ihren Bündnisverpflichtungen untereinander schon seit Jahren für instabile und angespannte politische Situationen.

100 Jahre erster Weltkrieg - Bilder aus dem Stadtarchiv
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Aufrüstungen und großes Misstrauen beherrschte die Mächtesysteme Europas. Die örtliche Presse berichtete, ohne panische Kriegsstimmung zu erzeugen, von politischen Spannungen, die seit dem tödlichen Anschlag auf dem ganzen Kontinent an Intensität zunahmen. Sie fanden zunächst bis Ende Juli weitgehend von der Öffentlichkeit verborgen hinter den Kulissen statt.

So lockte noch im Juli die große Kirmes auf den Rheinwiesen tausende Düsseldorfer zum überschwänglichen Vergnügen hinaus an den Rhein in Oberkassel. Zahlreiche Sommerschlussverkaufs-Angebote vieler Geschäfte luden in die Innenstadt und ein kultureller Höhepunkt im Monat Juli wurde mit den „Goethe-Festspielen“ gefeiert.

Die Kunst-, Garten- und Industriestadt mit über 400 000 Einwohnern strebte mit Großprojekten wie Rathausneubau, Rheinstadion oder neuer Rheinbrücke einer erfolgreichen Zukunft entgegen. Die letzten 100 Aufstiegsjahre sollten 1915 in einer großen Ausstellung das breitgefächerte Themenangebot der Großstadt Düsseldorf, wie z.B. Kunst, Kultur, Wirtschaft, Technik, Wohnen, Sport, Architektur, Soziales oder Verkehr, dokumentieren.

Die Rohbauten hierzu waren großenteils schon fertiggestellt, als sich gegen Ende Juli 1914 die Ereignisse überschlugen.

Spätestens nach dem 26. Juli, als Österreich die diplomatischen Beziehungen zu Serbien abgebrochen hatte, wurden die Redaktionen der Zeitungen in Düsseldorf von Menschenmengen belagert und jedes Druckerzeugnis mit den neuesten Meldungen, jedes Extrablatt, wurde den Verkäufern sozusagen aus den Händen gerissen.

Die allgemeinen Spannungen und Aufregungen steigerten sich in wenigen Tagen enorm. Es gab übersteigerte Kundgebungen zur Solidarität mit Österreich, wobei teilnehmende Gruppen über die Alleestraße (heute Heinrich-Heine-Allee) marschierten und eine gewisse Kriegsbegeisterung zutage förderten. Aber es gab auch Veranstaltungen in Düsseldorf seitens der Sozialdemokratie, die zeigen sollten, „dass die Masse des Volkes den Frieden will, dass sie nichts gemein hat mit jenen unverantwortlichen und unreifen Hurraschreiern...“ („Düsseldorfer Volkszeitung“). Insgesamt bis zu 20 000 Menschen sollen an zwölf sozialdemokratischen Veranstaltungen am 29. Juli ihren Kriegs-Unmut ausgedrückt haben. Es fanden am Ende der Kundgebungen Demonstrationszüge durch die Straßen statt, trotz Polizeiverbots. Diese letzten Düsseldorfer Proteste in aller Öffentlichkeit gegen einen möglichen Krieg löste die Polizei schnell wieder auf.

Am 31. Juli wurde der Kriegszustand verhängt und damit auch die Presse- und Versammlungsfreiheit erheblich eingeschränkt oder besser gesagt, nahezu außer Kraft gesetzt. Gaststätten wurden angehalten, um 22 Uhr zu schließen und gesellige, bzw. kirchliche, Veranstaltungen mussten behördlich genehmigt werden. Die „Düsseldorfer Zeitung“ schrieb von „Gewitterschwüle“, insgesamt berichtetet die bürgerliche Presse - auf Kriegskurs eingeschworen - von „Ruhe und Entschlossenheit der Einwohnerschaft“ und von „patriotischen Kundgebungen“.

Außerdem wollte die „Düsseldorfer Zeitung“ in den entschlossenen Gesichtszügen von „Müttern, Frauen und Jungfrauen“, nach der Ausrufung der allgemeinen Mobilmachung am 1. August 1914, gelesen haben: „…Wir unterwerfen uns willig den großen Pflichten des Vaterlandes.“

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