Düsseldorf. Diesel-Desaster: Die Stadt hat eine Mitschuld

Fahrverbote drohen jetzt auch deshalb, weil in Düsseldorf viel zu lange nichts passiert ist.

Düsseldorf. Die Schockwelle wirkte am Mittwoch immer noch nach. Allein der Gedanke an Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der City macht vielen Düsseldorfern schlechte Laune. Wie berichtet, hatte das Verwaltungsgericht die örtlichen Behörden verpflichtet, endlich für saubere Luft in Düsseldorf zu sorgen — notfalls auch mit Fahrverboten für Dieselfahrzeuge. Dazu brauche es keine Plakette, es reiche ein klassisches Einfahrtsverbot mit Zusatzschild. Bis Oktober 2017 hat die Bezirksregierung nun Zeit, konkrete Konzepte zu erarbeiten.

Das kalte Grausen ob solcher Aussichten packt Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer: „Ein komplettes Fahrverbot für Diesel in der Stadt oder in großen Teilen der Stadt ist undenkbar. Denn das würde schlicht bedeuten, dass keine Handwerker mehr in die City einfahren und die Nachversorgung der Geschäfte und Baustellen sichern können“, sagte er. Und: „Die Firmenfahrzeuge sind fast immer dieselbetrieben, da dieser Motorentyp viel robuster und besser für den Lasttransport geeignet ist; entsprechend sieht das Angebot der Fahrzeughersteller aus. Eine technische Umrüstung auf Euro 6 ist zudem in den meisten Fällen nicht möglich.“

Die IHK äußert sich ähnlich, Geschäftsführer Gregor Berghausen sieht zudem die Gefahr, dass „Kunden aus dem Umland Düsseldorf den Rücken kehren, wenn sie nicht mehr mit dem Auto anreisen dürften. In der Summe schadet ein Fahrverbot dem Handelsstandort Düsseldorf empfindlich.“

Sollte es tatsächlich so weit kommen, hätten Politiker und Verwaltung eine ordentliche Portion Mitschuld. Denn sie haben das Thema offenen Auges schlicht verpennt. Denn der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter (Messwert an der Corneliusstraße 2015: 59 Mikrogramm) ist nicht vom Himmel gefallen — er gilt schon seit dem 1. Januar 2010 und hatte einen zehnjährigen Vorlauf.

Erst als die EU-Kommission voriges Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen langjähriger Nicht-Einhaltung des Grenzwertes eingeleitet hat, wurde die Politik wach. Im Rathaus wurde die Verwaltung beauftragt, „Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffdioxid-Belastung zu erarbeiten“. Klingt gut, hätte man aber schon vor zehn Jahren machen können. Vielmehr müssen — angesichts der wachsenden Zahl von Dieselfahrzeugen. Inzwischen sind es mehr als 115 000 in Düsseldorf, und nur 21 000 davon erfüllen die Euro-6-Norm (siehe Grafik).

Dass die Stadt als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung den Schwarzen Peter bloß zur Bezirksregierung durchreicht, ist nicht genug. Sie muss deutlich machen, dass sie auch endlich etwas tut.

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