Die schönen Seiten vom brutalen Beton

Von der Kunsthalle bis zur Zionskirche — der Architektenbund stellt die Baukunst der 60er und 70er Jahre vor.

Düsseldorf. Die Betonarchitektur der 60er und 70er Jahre wurde lange Zeit als hässlich verschrien. Erst jetzt, da die gläsernen Bürokästen als Alternative in Misskredit geraten sind, gerät sie wieder ins Blickfeld. Am Samstag luden der Bund Deutscher Architekten (BDA) und der Rheinische Verein zur Rundfahrt, um diesem „Beton-Brutalismus“ einige positive Seiten abzugewinnen.

Die Tour, organisiert von Rheinhard Lutum und Helmut Friedrichs, begann vor der Kunsthalle am Grabbeplatz. Hier lässt sich der Geschmackswandel in der Bevölkerung am deutlichsten ablesen. Der einstige Akademiedirektor Norbert Kricke lehnte den „Betonkasten“ 1967 bei der Einweihung mit den Worten ab: „Das Ding muss weg.“ Noch Kulturdezernent Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff wollte ihn Ende der 90er Jahre entsorgen. Heute gilt er nach den Worten von Reinhard Lutum als „seltenes Zeugnis brutalistischer Architektur mit angenehmen inneren Qualitäten für die Kunst.“

Erst im Februar hatte die Fachwelt eine Charta verabschiedet, diese „zweite Nachkriegsmoderne“ (nach der ersten der Nierentischzeit) zu erhalten. Einige Häuser dieses Stils wie das Schmela-Haus, die Gebäude für Rank Xerok und Horten am Seestern stehen inzwischen unter Schutz. Helmut Friedrichs sprach allerdings auch ein Problem an: die Wärmedämmung. Sie dürfe nicht dazu führen, dass diese Architektur verschwindet.

Das wird gerade beim Bürogebäude des Jürgen Ringel an der Grafenberger Allee deutlich. Ringel hatte den Eckkomplex für die amerikanische Gesellschaft für Elektrometallurgie errichtet, mit Windstreben an der Fassade und einem perfekt konzipierten variablen Innenausbau, wie er den Zuhörern erklärte. Das kommt dem heutigen Besitzer zu Gute, der den Bau „nur noch“ auf Nachhaltigkeit nachrüsten muss.

Bei den Großraumbüros von Helmut Hentrich für Rank Xerox und Helmut Rohde für den Kaufhaus-König Helmut Horten ist das schwieriger. Beide Gebäude entstanden auf der grünen Wiese für jeweils eine Firma. Der Hentrich-Bau windet sich als dreifache Sechsecke in offener Bauform nach oben. So ein Baukonzept taugt nur noch für einen Großkonzern wie die Lindner-Gruppe, deren Imperium auch ohne feste Baueinheiten funktioniert.

Rhode baute für Horten nach amerikanischem Muster auf 32 000 Quadratmetern. Wenn Vodafone jetzt auszieht, muss das Nachfolge-Büro RKW den Komplex so umbauen, dass ihn der jetzige Eigentümer Union Investment den Mietern anbieten kann.

In den 60er und 70er Jahren entstanden die „Königinnen unter den Brücken Deutschlands“, wie Baudezernent Friedrich Tamms seine drei Meisterwerk nannte. Es wurde das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik an der Mauerstraße vom „Kirchen-Architekten“ Gottfried Böhm errichtet, der für eine überraschende Leichtigkeit der enormen Baumasse sorgte. Es plante Hans Strizewski eine Burganlage mit Rundtürmen und halbkreisförmigen Balkons nach dem Motto: „My home is my castle“, (Meine Wohnung ist mein Burg).

Thomas Beucker errichtete neben der Stadtautobahn einen Beginenhof, in dessen ruhiger Mitte Senioren spazieren gehen. Und selbst in einer Baulücke der Ulmenstraße errichtete Lothar Kallmeyer die Zionskirche mit einer Betonfassade hinter dem Altar.

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