„Die meisten wollen Fast-Food-Politik“

Slam-Poet Jean-Philippe Kindler aus Düsseldorf macht im Zakk seinen eigenen Parteien-Check und will junge Menschen für Politik interessieren.

„Die meisten wollen Fast-Food-Politik“
Foto: Stürtz

Obwohl er erst seit eineinhalb Jahren als Slamer auf der Bühne steht, ist Jean-Philippe Kindler in der Szene bereits etabliert. Zuletzt hat er Europas größten Festivalslam gewonnen und ist für die Deutschen Slamer-Meisterschaften im Oktober in Hannover qualifiziert. In seinen Texten setzt sich der in Düsseldorf aufgewachsene 21-Jährige oft mit politischen Themen auseinander und führt am Samstag im Zakk durch seinen persönlichen Parteien-Check zur Bundestagswahl. Über das Konzept von „Bibis Beauty Politics“, Politikverdrossenheit und seine Haltung zur AfD sprach der Slamer jetzt mit der WZ.

Wahlprogramme liest niemand, heißt es ja immer. Zur Vorbereitung für Ihre Show haben Sie es doch getan. Wie lange haben Sie gebraucht?

Jean-Philippe Kindler: Insgesamt habe ich fünf Tage gebraucht für die Programme von CDU, SPD, FDP, Linke, Grüne und AfD. Für die Grünen alleine einen ganzen Tag, die haben 260 Seiten Programm. Bei der CDU ging es deutlich schneller, die 60 Seiten hatte ich in zwei Stunden durch.

Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen aus der Lektüre?

Kindler: Dass viele Parteien erschreckend weit in die Mitte gerückt sind. Die Grünen sind mittlerweile zum Beispiel sehr nahe am SPD-Konsens. Bei CDU und SPD gibt es immerhin deutliche Unterschiede in der Flüchtlingspolitik.

Half Ihnen das bei Ihrer eigenen Wahlentscheidung?

Kindler: Nein, ich habe mich noch nicht entschieden. Mir fällt das auch wirklich schwer.

Warum?

Kindler: Ich ärgere mich darüber, dass von Politikern so viel verschleiert und schöngeredet wird. Ich habe auch einige Wahlkampfveranstaltungen besucht, da fehlt jeglicher Diskurs. Das ist nur ein gegenseitiges Bekuscheln der eigenen Meinung. Von der SPD wurde ich auch angefragt, einen Text vorzutragen. Als ich dann angekündigt habe, dass ich einen kritischen Text machen will, der auch die problematischen Punkte der Partei anspricht, nahmen die Abstand von der Idee.

Sie sind also unzufrieden mit dem politischen Diskurs allgemein?

Kindler: Genau. Mir fehlt eine vernünftige Diskussionskultur. Vieles polarisiert sehr stark, man beschimpft sich wüst oder stürmt einfach aus einer Sendung raus. Was bringt uns das, wenn wir in unseren Szenen abhängen und nur da unsere eigenen Wertvorstellungen besprechen. Man darf sich nicht so isolieren von Meinungen, die der eigenen nicht entsprechen. Da dürfen wir die Schuld nicht nur bei den Politikern suchen.

Politikverdrossenheit ist ein Thema, das gerade vor Wahlen immer wieder diskutiert wird. Zu Recht?

Kindler: Absolut. Gerade was junge Leute aus meiner Generation angeht. Die meisten wollen Fast-Food-Politik, leicht konsumierbar, mit einfachen Antworten. Damit man sich bloß nicht zu lange und ausführlich mit irgendetwas beschäftigen muss. Diese Entwicklung finde ich bedenklich.

Mit Ihrem Programm im Zakk wollen Sie Denkanstöße geben, aber sich auch satirisch mit dem Wahlkampf auseinandersetzen. Was können die Besucher von „Bibis Beauty Politics“ erwarten?

Kindler: Ich will vor allem zeigen, was eigentlich hinter den Wahlkampfslogans steckt. Was die FDP eigentlich meint, wenn sie von Flexibilisierung spricht. Was das wirklich für Arbeitnehmer bedeutet. Ich will einiges aber auch humoristisch überspitzen und habe zum Beispiel einige Wahlplakate verfremdet. Was ich nicht will, ist den Leuten vorzuschreiben, was sie am Ende wählen sollen.

Die AfD wird dabei aber vermutlich nicht gut wegkommen…

Kindler: Es wird kein reines AfD-Bashing geben. Mich stört auch, dass das Thema so tabuisiert wird. Ich habe mich mit den Punkten der Partei beschäftigt und versuche nachzuvollziehen, welche Ängste die Leute umtreiben, die bei der AfD ihr Kreuz machen. Ich kann mich mit den Inhalten der Partei nicht identifizieren. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, warum sie so einen Zulauf hat.

Ihre Texte sind größtenteils politisch. Wie wurden Sie politisiert?

Kindler: Da waren zwei Sachen ausschlaggebend. Zum einen mein familiärer Hintergrund. Meine Mutter leitet das Heim für Vertriebene im Zooviertel. Da sind minderjährige Syrer und Afghanen. Ich habe da mitbekommen, wie Afghanen abgeschoben werden. Weil mich das wütend gemacht hat, habe ich angefangen, mich mit Politik zu beschäftigen. Und zum anderen politisiert auch die Slamer-Szene. Weil du da mit vielen Leuten in Kontakt kommst, die sich Gedanken machen über Politik.

Wird die Szene politischer?

Kindler: Jein. Hinter der Bühne gibt es viele wertvolle Diskurse über Politik, untereinander. Aber auf der Bühne dominieren eher bekömmlichere Themen. Poetry-Slam ist im Mainstream angekommen. Da gewinnt im Zweifel nicht der ernste, politische Text.

Spielen Sie selber mit dem Gedanken, in die Politik zu gehen?

Kindler: Schon länger. Aber ich tue mich schwer, weil ich meine Ideen und Vorstellungen nicht einer Parteilinie unterordnen könnte. Ich fühle mich momentan ganz wohl in der Beobachterrolle. Aber ich weiß auch, dass das eine sehr bequeme Rolle ist.

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