Die Klischee-Hauptstadt

Reich und schön, protzig und provinziell? Was Stadt-Kenner von Düsseldorf wirklich denken.

Düsseldorf. Michael Feder (43), geboren und aufgewachsen in Franken, Betriebswirt und inzwischen Geschäftsführer des Link-Instituts in Frankfurt, hat über zehn Jahre in Düsseldorf gelebt — und genau hingeschaut:

„Natürlich ist an dem Image der schicken, etwas oberflächlichen Stadt etwas dran. Das liegt schon in der Natur der Szene-Struktur: Wenn tausende Werber, Banker und Berater des Jobs wegen in die Stadt ziehen, darf man sich nicht wundern, wenn abends auf der Ratinger oder im Medienhafen das entsprechende Publikum dominiert“, sagt er, und:

„Die Außenwirkung, der erste, taxierende Blick zählen hier mehr als anderswo, man zeigt sein Geld und seinen Erfolg gerne“, findet der Franke. Das sei übrigens auch ein Unterschied zum — ansonsten doch recht ähnlichen — Köln: „Da zählt, ob du ein entspannter, lebensfroher Typ bist.“

Ein paar Jahre in Franken, genauer gesagt in Nürnberg und Fürth, gearbeitet hat Sabine Brenner-Wilczek, seit 2010 Leiterin des Heine-Instituts. „Als ich aus Nürnberg zurückkam, ist mir die Lebendigkeit und der internationale Anstrich von Düsseldorf wieder aufgefallen“, sagt die gebürtige Solingerin.

Von Pauschalurteilen hält die 34-jährige Germanistin gar nichts: „Hier gibt es die Nobelboutiquen auf der Kö, aber eben auch eine rustikale Kneipenlandschaft. Es gibt Hochkultur und Brauchtum, und nicht zu vergessen: die Literatur- und Wissenschaftsstadt.“

Torsten Hiermann (40), geboren in Duisburg, war von 1996 bis 2008 Sprecher des Flughafens, bevor er Kommunikationschef der DVG-Holding in Duisburg wurde. Er meint: „Das Klischee wird von den Düsseldorfern selbst liebevoll gepflegt.

Und unter Marketingaspekten gilt: Hauptsache, eine Stadt hat überhaupt ein Image und sorgt für Gesprächsstoff, und das tut Düsseldorf im Gegensatz zu vielen anderen ähnlich großen Städten.“

Wer aus dem Umland auf die Kö komme, kleide sich schon besonders schick, „samstags ist das ein großes Schaulaufen. Und auf den Terrassen der Kö-Cafés geht es nicht um den Kaffee.“ Alles in allem: „Eine schöne Stadt, auf die man stolz sein kann.“

Düsseldorf ist im Ausland unbekannt, sagt Werner Lippert, der Chef des NRW-Forums. „Aber wenn ich in New York oder Los Angeles erzähle, dass ich aus der Stadt von Andreas Gursky und Kraftwerk komme, wissen alle Bescheid.“

Lippert hat viele internationale Größen in die Stadt geholt. „Die Stadt kommt bei internationalen Gästen gut an, weil sie schick, ruhig und grün ist.“ Das Schicki-Image ist in Lipperts Augen eine innerdeutsche Angelegenheit, und daran sei vor allem Düsseldorf selbst schuld.

„Der Vorwurf, hier taperten nur hochgeföhnte Millionsärsgattinnen über die Kö, ist ein typisches Neidphänomen. Aber ich frage mich, ob wir nicht nur hören, was wir selbst in die Köpfe geben. Wer vermutlich aus Minderwertigkeitsgefühlen stets betont, er habe überall das größte und tollste — größte Kirmes, Messe, Kö, überhaupt alles —, der muss sich nicht wundern, wenn er dies gespiegelt bekommt. Das Geprotze ist überflüssig.“

„Wenn ich Besuch aus Hannover habe und wir in den Supermarkt gehen, werde ich oft gefragt: „Laufen die hier immer so herum“, erzählt der Intendant der Tonhalle, Michael Becker, der aus Hannover stammt. Düsseldorf ist schickimicki, das sei nicht zu leugnen.

Und es färbt anscheinend ab. Becker gibt zu: „Ich würde in Düsseldorf nicht mehr in denselben Klamotten einkaufen gehen, die ich in Hannover getragen habe.“ Ein Nachteil sei das aber nicht.

„Man ist sich hier seiner selbst bewusst.“ Und betont das durch teure Autos? „Die Mercedes-Reihen, die ich täglich im Stau stehen sehe, gehören Managern, die hierher kommen, weil ihnen ihr Vertrag einen edlen Dienstwagen zusichert. Das hat wenig mit der Stadt zu tun“, glaubt Becker.

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