Die Gefangenen sind raus — jetzt steht die Ulmer Höh’ leer

Am Freitag traten 440 Häftlinge ihren Weg in die neue JVA an. Schwer bewacht, aber unauffällig.

Düsseldorf. Es dämmert noch nicht einmal. Da schiebt sich das blaue Tor an der Ulmenstraße langsam beiseite, drei Männer mit Maschinenpistolen treten auf den Bürgersteig. Zwischen ihnen rollt ein weiß-blauer Bus auf die Straße, biegt nach rechts ab und verschwindet in Richtung Norden. Wären da nicht die Waffen, die Kameraleute und Fotografen — niemand könnte vermuten, dass hier gerade einer der größten Gefangenentransporte in der NRW-Geschichte im Gange ist. 440 Inhaftierte der Ulmer Höh’ ziehen in den Gefängnisneubau an der Oberhausener Straße in Ratingen. Die Zellen in Derendorf stehen jetzt leer.

„Die Nacht war sehr ruhig“, sagt Gefängnisleiter Bernhard Lorenz. Grund war wohl die Anspannung bei vielen, oder auch die Erschöpfung. Seit Tagen packten die Gefangenen ihre „Zellen-Habe“ — die Besitztümer also, die sie in den Hafträumen hatten — unter Aufsicht in Kartons. 5000 Umzugskisten insgesamt waren nötig, um die Ulmer Höh’ nach Ratingen zu transferieren.

Kurz nach halb sechs gestern Morgen rollte dann der erste Bus durch das blaue Tor und Richtung Neubau. Vier größere und mehrere kleine Busse pendelten zwischen den Anstalten — mit maximal 30 Passagieren. Nur ein kleines Handgepäck durften die Inhaftierten mit an Bord nehmen. „Und ihren Fernseher“, sagt Lorenz. Die Flimmerkisten wurden in Decken eingehüllt und in Ladeluken verstaut. „Das Erste, was viele in der neuen Anstalt gemacht haben, war, den Fernseher einzustecken“, berichtet der Anstaltschef. Die restlichen Kisten warteten zum Teil schon in den Hafträumen auf ihre Besitzer, zum Teil mussten sie gestern noch transportiert werden.

Seit Herbst 2010 war eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung des Umzugs befasst, die „heiße Phase“ begann vor einem Jahr. Jeder Schritt der 184 Bediensteten, die gestern im Einsatz waren, wurde durchgeplant. „Jeder kannte seine Rolle, seine Position“, sagt Lorenz. Es war genau festgelegt, welcher Gefangene mit welchem Bus um welche Uhrzeit abfährt — und in welchen Haftraum er in der neuen JVA gebracht wird. Auf dem Weg zum Bus wurden die Inhaftierten zudem immer wieder durchsucht und kontrolliert, Namen verglichen. Entsprechend zufrieden konnte Bernhard Lorenz gestern Nachmittag bilanzieren: „Es gab keinerlei Vorkommnisse.“

Vielmehr sei man von der Kooperationsbereitschaft der Gefangenen überrascht gewesen. „Alle waren sehr neugierig“, berichtet Lorenz. Er habe selbst kurz nach der Ankunft mit vielen von ihnen gesprochen, die das neue Gefängnis lobten: Viel Licht, mehr Platz und abschließbare Nasszellen. „Das ist ein Quantensprung gegenüber der Ulmer Höh’.“

Aber: „Die Euphorie wird schnell der Erkenntnis weichen, dass auch dies ein Gefängnis ist“, sagt der Leiter. „Und zwar ein Hochsicherheitsgefängnis.“ Technik und Arbeitsabläufe dort einzuspielen und zu optimieren, werde nun sicher noch bis zum Sommer dauern.

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