Die erste weibliche Superintendentin geht

Henrike Tetz gilt als Teamworkerin, die auch anpacken kann. Jetzt wird die 54-Jährige Oberkirchenrätin bei der Landeskirche.

Die erste weibliche Superintendentin geht
Foto: Judith Michaelis

Mal wieder die Johanneskirche am Martin-Luther-Platz. Dort, wo Henrike Tetz (54) nach dem Theologie-Studium und Vikariat begann und dann vor sieben Jahren als Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf eingeführt wurde, nahm sie am Samstag auch Abschied. Mit einer Predigt, wie sich’s für eine Pfarrerin gehört.

In Anwesenheit von OB Thomas Geisel, der sie „als wichtige Partnerin in gemeinsamen Projekten“ lobt, hat sie doch vor zwei Jahren die Anti-Pegida-Demonstrationen mit gestaltet. Die frohe Botschaft vertrete Tetz „nicht nur sonntags von der Kanzel, sondern auch von der Ladefläche eines Lastwagens“, so Geisel mit Blick auf die Aktionen gegen Rechtspopulismus.

Sie war die erste Frau in dieser leitenden Funktion im 2007 gegründeten Kirchenkreis Düsseldorf und tritt am 4. März ihre neue Stelle bei der Landeskirche an — als Oberkirchenrätin. Für den Bereich Bildung und Erziehung trägt die Frau (von der Landessynode gewählt) dann die Verantwortung. Und zwar für die rheinische Landeskirche auf der Hans-Böckler-Straße, zu der auch Kirchenkreise in Rheinland-Pfalz und Hessen und das Saarland gehören. Historisch bedingt ist das. Die Regionen gehörten einst zur preußischen Rheinprovinz.

In Zukunft wird Henrike Tetz — die in ihrer Freizeit gerne Cello spielt, ins Theater, in die Tonhalle oder wandern geht — also viel auf Achse sein. Und mit Sozial- und Bildungs-Ministern der vier Bundesländer verhandeln. Darauf freut sich Tetz, deren Begabung als Vermittlerin ebenso geschätzt wird wie ihre Klarheit, mit der sie zu ihrem Glauben steht.

In Göttingen wurde sie geboren — die beherzte Kirchenfrau, der die Arbeit mit und für Flüchtlinge und mit ehrenamtlichen Helfern besonders am Herz liegt. Theologie studierte sie in Bonn, Tübingen und Oxford und wurde 2000 zur Schulpfarrerin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums berufen. Sie gab Religions-Unterricht, war Seelsorgerin, organisierte und leitete Gottesdienste und vermittelte als Lehrerrats-Vorsitzende zwischen Schulleitung, Lehrern und Schülern.

Hinzu kam 2010 der Posten der nebenamtlichen Superintendentin, die Fachaufsicht ausübt, sich u.a. um evangelische Krankenhäuser, Kitas und Ehrenamtliche kümmerte. Wenn sie nun in den Landesdienst wechselt, soll die Nachfolgerin oder der Nachfolger hauptamtlich eingesetzt werden. So sind zumindest die Pläne. „Das Pensum in einer so großen Stadt ist kaum noch nebenamtlich zu leisten. Das ist heute ein Full-Time-Job“, so Pressesprecher Ulrich Erker-Sonnabend. Zustimmen müsse aber noch Anfang April die Kreissynode Düsseldorf. Zum Vergleich: In Wuppertal und Solingen gibt es bereits hauptamtliche Superintendentinnen.

Im Rückblick waren es für Tetz sieben aufregende und arbeitsintensive Jahre, auch wegen der Flüchtlingsströme, die ab Herbst 2015 auch in Düsseldorf ankamen und die Kirche vor neue Herausforderungen stellten. 2015 war kein negativ belastetes Jahr der Flüchtlingskrise für sie. Eher positiv überrascht war sie darüber, dass viele Gemeinden sich ehrenamtlich engagierten, Kleiderbörsen organisierten und die Geflohenen spontan zu sich nach Hause einluden. „Viele Ehrenamtliche hatten vorher keine Bindung zur Kirche“, so Tetz. Darüber freute sie sich besonders. Wichtig für sie ist bis heute, „dass wir Notsituationen frühzeitig erkennen und die Menschen uns finden können.“

Ökumenische Unterstützerkreise entstanden 2015, die bis heute Kontakt halten. Highlights waren für Tetz, neben dem Reformationsjubiläum 2017, auch das „Fest der Vielfalt“, das sie im Sommer 2016 zusammen mit Stadt und Bürgervereinen im Hofgarten auf die Beine stellte. Zufrieden ist sie, dass das Projekt „Zukunft Kirche“ in der Stadt angestoßen wurde. Ziel: 2030. Vermutlich leben dann nur noch etwa 90 000 Christen im Kirchenkreis Düsseldorf. Warum? Der Schwund (siehe Kasten) ist zurückzuführen „auf den demografischen Wandel, Traditionsbrüche und darauf, dass Bindungen (auch zu Kirchen) schwächer werden. Aber wir wollen weiterhin mit attraktiven Orten und Angeboten flächendeckend präsent bleiben.“

Zur „Zukunft Kirche“ gehört, dass die Kirche vor Ort bei den Menschen ist. Zum Beispiel - wie in Derendorf - beim Umgang mit Demenz-Kranken. Da gibt es im Stadtquartier einen Anlaufpunkt für pflegebedürftige Menschen. Für Familien, die Fragen zu Erziehung oder Partnerschaft haben, gibt es Informationen zu den Beratungsstellen für Ehe- und Lebensfragen. In allen Aussagen spürt man, Tetz ist keine Theoretikerin, sondern eine Teamworkerin, die anpackt. So unterstützte sie auch, dass das Ferdinand-Heye-Haus in Gerresheim zu einem Pflegeheim mit offenem Café wurde. Generationen übergreifend, denn in direkter Nachbarschaft liegt eine Kita. Dass die künftige Oberkirchenrätin für ihre Überzeugungen kämpfen kann, beweist sie am 1. März vor dem NRW-Landtag mit einer Demonstration für die Beibehaltung des Sonntags als Feiertag. Und gegen das ‚Entfesselungspaket’ der CDU/FDP-Regierung. Tetz lehnt acht (statt wie bisher vier) geschäftsoffene Sonntage pro Jahr ab. Kompromisslos. „Der Sonntag ist ein soziales Geschenk.“ Sieben Jahre habe sie dafür gekämpft. „Die Kirche muss das anders sehen als Einzelhandelsverbände.“

Das wichtigste Thema für ihre Nachfolger? „Eine Stadt, in der - wie in Oberbilk - 147 Nationen leben, muss sich kulturell öffnen.“ Das betreffe auch alle Religionsgemeinschaften. Christen, Juden, Muslime, Buddhisten und Freikirchen - gemeinsam müssten sie darüber beraten, wie sie zusammen Projekte auf die Beine stellen könnten.

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