Dokumentarfilm: Die Ehe der Herren Schultze

Seit mehr als 40 Jahren teilen Kurt Schultze und Toon van Iersel ihr Leben miteinander. Nun sind sie die Protagonisten eines Dokumentarfilms.

Dokumentarfilm: Die Ehe der Herren Schultze
Foto: Leick

Düsseldorf. Moritz Leick ist Fotograf und Filmemacher. Das vergangene Jahr verbrachte der 30-Jährige mit einem Projekt, das ihm sehr am Herzen liegt. Sein Regiedebüt ist ein Dokumentarfilm, der sich um das gemeinsame Leben von Kurt Schultze (79) und Antonius van Iersel (82), genannt Toon, dreht. Als Leick das Paar vor einigen Jahren kennenlernte, merkte er gleich, dass die beiden Männer eine Geschichte haben, die sich zu erzählen lohnt. „Kurt und Toon haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen“, sagt Leick. „Die offene und lebensbejahende Lebenseinstellung der beiden hat mich inspiriert.“

Sein Film „Die Ehe der Herren Schultze“ handelt von dem Glück der beiden Männer, aber auch von den Ereignissen, die ihnen den Weg zu diesem Glück nicht leicht gemacht haben. Denn Kurt Schultze und Toon van Iersel waren in ihrer Vergangenheit betroffen von einer Ungerechtigkeit, über die bis heute kaum gesprochen wird: den Paragrafen 175. Erst im Jahr 1994 wurde der Paragraph abgeschafft, unter dem seit 1872 über 140 000 Männer wegen ihrer Homosexualität strafrechtlich verfolgt wurden. Für Moritz Leick ein Thema, das nicht in Vergessenheit geraten darf: „Ich war verwundert darüber, dass das Schicksal der vielen Männer, die zum Teil ihr Leben lang unter dieser Verfolgung durch den Staat leiden mussten, so wenig Aufmerksamkeit bekommt.“ Durch die Rehabilitation im Jahr 2017 ist dieses Kapitel zwar endgültig beendet, über die persönlichen Folgen der Betroffenen wird aber noch immer wenig gesprochen, nicht zuletzt weil nicht vielevon ihnen bereit sind, darüber zu sprechen.

Die Geschichte von Schultze und van Iersel hat Leick deshalb zum Thema seines ersten Films gemacht, der am Dienstag vor geladenen Gästen Premiere in der Black Box feiert. „Viele der Männer, die unter diesem Paragraphen verfolgt wurden, sind daran zerbrochen“, so Leick. Doch die beiden Hauptdarsteller in dieser Geschichte sind daran gewachsen, das merkt man spätestens, wenn man ihnen persönlich begegnet. Vor 42 Jahren lernte sich das Paar in einem Restaurant in Nimwegen kennen. Nach einer anderthalbjährigen Fernbeziehung zog der Kunsthändler van Iersel aus den Niederlanden nach Düsseldorf, wo Schultze als Augenarzt seine eigene Praxis führte. Seit 2007 sind sie verpartnert. Ohne lang zu überlegen, gaben sie Leick ihre Zusage für den Film, dessen Dreh für sie durchaus emotional war. An 30 Drehtagen entstanden so 49 Stunden Rohmaterial.

Die 45-minütige Doku zeigt auch eine Reise nach Wien, bei der Leick die beiden Rentner im November 2017 begleitete. In Wien begaben sie sich auf die Spurensuche nach Schultzes Begegnung mit dem Paragraphen 175 beziehungsweise den in Österreich bis 1971 bestehenden Paragraphen 209. Als 23-jähriger Student wurde er in Wien festgenommen und verbrachte hier wegen seiner Homosexualität mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Die Rückkehr war für ihn eine wichtige Erfahrung: „Die Erinnerungen an meine Zeit in Wien sind schrecklich. Aber heute habe ich damit abgeschlossen. Die Reise hat dazu erheblich beigetragen. Und dennoch schmerzt die Erinnerung auch heute noch sehr.“

Der Film zeigt auch, wie Kurt gemeinsam mit seinem Mann sichtlich bewegt seine eigene Strafakte einsieht. Toon van Iersel erinnert sich: „Es ist furchtbar, aber auch surreal, auf 142 Seiten detailliert zu lesen, welche Vorwürfe die Sittenpolizei damals erhoben hat.“ Eine Entschädigung gab es nie. Darum ginge es auch nicht, sagt Schultze: „Es geht darum, dass man den Betroffenen die Last abnimmt, die sie so lange ertragen mussten und dafür zu sorgen, dass das nie wieder passiert.“

Deshalb engagiert sich das Paar sozial, sprach etwa in den vergangenen Jahren mehrere Male mit lesbischen und schwulen Jugendlichen im Jugendzentrum Pulse. Heute haben Schwule und Lesben dieselben Rechte wie jeder andere in diesem Land. Doch damit auch gesellschaftlich Gleichheit herrscht, darf man die Ungerechtigkeit der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen. „Wenn wir mit unserer Lebensgeschichte dazu noch etwas beitragen können, dann machen wir das sehr gerne“, sagen beide.

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