Der Weg der Künstlerkinder

Lässt sich Kreativität vererben? Spurensuche in der Galerie Tedden, die Werke von Künstlern und ihrem Nachwuchs zeigt.

Die Werke der malenden Eltern und ihrer Kleinkinder sind zauberhaft, in der Ausstellung „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ sind einige von ihnen noch bis zum 4. April zu sehen. Aber was wird aus den Kindern, wenn sie groß sind? Lässt sich Kreativität vererben? Die WZ ging dieser Frage nach und stieß auf eher ernüchternde Antworten.

Der Weg der Künstlerkinder
Foto: Melanie Zanin

Kaspar und Paula sind die Kinder des Malers Hans-Willi Notthoff, dessen Atelier in der Lierenfelder Straße bei den Kunstpunkten regelmäßig gestürmt wird. Aber der Vater winkt ab: „Da ist keiner da, der Künstler werden will. Das kann man nicht zwingen.“ Die Tochter studiert jetzt Biologie. Der Sohn geht noch zur Schule. Er trägt gerade Zeitungen aus, um Geld für einen Computer zu verdienen.

Ulrike Zilly über ihre Tochter

Malkastenchef Robert Hartmann zeichnet die rennende Kleinfamilie, wobei der Beuys’sche Hase auch dabei ist. Auf das Selbstporträt der zwölfjährigen Tochter Lina kann er stolz sein. Aber Lina ist heute 29 Jahre alt, studiert Kunstgeschichte und will partout keine Künstlerin werden. Mutter Ulrike Zilly, Malerin, erklärt: „Sie weiß von uns, was es heißt, freier Künstler zu sein. Sie will ein bürgerliches Leben führen.“

Axel Brandt musiziert mit Sohn Ludwig Sapper zu Weihnachten. Ludwig töpfert bei Jörg Alvermann im begleitenden Kunstunterricht an Schulen. Sein Flugzeug ist so gut, dass der Galerist es gekauft hat. Dennoch glaubt Ludwig nicht, dass er nach dem Abitur Kunst machen will. Er könne es nicht so gut, gibt er zu.

Dieter Marschall, Meisterschüler von Markus Lüpertz, hat im kleinen Katalog ein Gedicht auf das Motto der Ausstellung geschrieben. Seine Variante zum Apfel: Er könne so weit rollen, dass er sogar unentdeckt liegen bleibt und verfault. Marschall ist seit acht Jahren von seiner offensichtlich begüterten Frau geschieden und wirkt enttäuscht, wenn er sagt: „Ich hätte es toll gefunden, wenn die Kinder etwas mit Kunst gemacht hätten. Von Julius habe ich stapelweise Kinderbilder. Das Mädchen war musikalisch. Sie waren Atelierschweine, haben im Atelier gespielt. Aber mit 14, 16 Jahren ging das Kreative verloren. Sie sind zu Kapitalisten geworden. Die Tochter ist heute Immobilienhändlerin, der Sohn Volkswirt. Für mich als Künstler ist das frustrierend. Aber sie verdienen im Gegensatz zu mir Geld.“

Die Probleme in den Beziehungen der Eltern spielen in die Ausstellung hinein. Andreas Bee, Werkstattleiter in der Kunstakademie, zeigt eine Zeichnung von Sohn Max Kaiser aus dem Scheidungsjahr 2001. Da schießt der Achtjährige auf Bees jetzige Frau Dakma, die dafür verantwortlich war, dass der Vater das Haus verließ. Gleichzeitig beschriftete er einen Holzstab mit den Worten: „Max hat nix im Kopf“. Heute lebt er in München als Betriebswirt und verdient Geld. Das Verhältnis zum Vater und zur zweiten Frau ist bestens.

Joseph Sracic zeigt sich in einer Farbzeichnung als geschiedener Übervater, der über Tochter und Mutter wacht. Tochter Mila Sophie darf bei ihm zuweilen sogar übernachten, weil Ex-Frau Simone Rudolph in der Nähe wohnt. Mama, selbst Malerin, hat inzwischen ein zweites Kind. Beide werden in Vernissagen mitgeschleppt. Und die Eltern geben den Wunsch nach einem kreativen Nachwuchs nicht auf.

Die Liebe zum Kind bleibt. Junior Toscanelli malt die dreijährige Tochter Tosca Knoebel als Wunderkind. „Das Porträt ist von Liebe durchtränkt“, sagt er. Zur Vernissage taucht die ganze Familie Knoebel auf. Ob wenigstens hier der Apfel nicht weit vom Stamm fällt?

“ Die Ausstellung in der Galerie Tedden, Mutter-Ey-Straße 5, läuft noch bis zum 4. April.

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