Der Amokschütze gesteht

Der unter Schizophrenie leidende Frank M. (48) schildert Schüsse und Geiselnahme am Hauptbahnhof. Opfer sagt unter Tränen aus.

Düsseldorf. So war das alles nicht geplant. Frank M. ist am 31. Mai gegen 13.30 Uhr mit der S-Bahn am Düsseldorfer Hauptbahnhof angekommen. Er hat sechs geladene Pistolen mit je einem Schuss dabei.

„Bei dreien hatte ich den Verdacht, sie seien defekt, ich wollte sie zur Reparatur in die Büchsenmacherei bringen. Die anderen drei hatte ich dabei, um die defekten Waffen zu schützen“, sagt der 48-Jährige, der seit Montag wegen versuchter Tötung, versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Geiselnahme im Landgericht auf der Anklagebank sitzt — denn die Situation eskaliert.

Polizisten sprechen den Bochumer an, der unter paranoider Schizophrenie leidet. Der eröffnet das Feuer, flieht nach draußen, greift sich einen 13-Jährigen, der sich jedoch losreißen kann und schließlich eine 22-jährige Studentin, der er in den Kopf schießt. Als ihn die Polizisten überwältigen, hat er vier seiner sechs Pistolen abgefeuert.

Bei der Befragung durch den Richter gibt der gelernte Maler und Lackierer Einblicke in seine verworrene Sicht der Dinge. Immer wieder redet er von Stalkern, die schon seit den 70er-Jahren hinter ihm her seien und ihm keine Ruhe ließen. Dass es am Hauptbahnhof zu der Schießerei kam, sei die Schuld der Polizisten, die ihn angesprochen hatten. „Ich hatte Angst, dass die meine Geschichte mit der Waffen-Reparatur nicht glauben und ich meine Waffen verliere.“

Als sich auf der Flucht über den Konrad-Adenauer-Platz nach dem ersten Schuss noch Passanten mit ihm anlegen, weil er sich den Jungen schnappt, habe er sich entschlossen „den Halbverbrecher zu geben, um da rauszukommen“. Die Pistole habe er dem Jugendlichen nur „anweisungstechnisch“ an den Kopf gehalten. M.: „Ich wollte unerkannt fliehen mit der Straßenbahn.“ Auf die Nachfrage des Richters, ob er tatsächlich glaubte, nie gefunden zu werden, sagt M.: „Hätte ich mir die Haare wachsen lassen, wäre das so gewesen.“

M. sitzt mit seiner braunen Schirmmütze im Gericht und erweckt den Eindruck, diese Veranstaltung für ein großes Missverständnis zu halten. Den aufgesetzten Kopfschuss, den er seiner Geisel verpasst, sieht er als Zufall: „Es sollte ein Warnschuss sein, am Ohr vorbei durch die Haare. Aber sie war so zappelig, da kann daraus schon ein Randschussstreifer werden.“ Letztendlich habe durch seine Schüsse ja niemand eine Wunde erlitten.

Doch sein Opfer, eine BWL-Studentin aus Ratingen, überlebt nur, weil die Kugel nicht genug Kraft hatte, den Schädelknochen zu durchdringen. Sie machte am Montag unter Tränen, gestützt von ihrem Bruder, ihre Zeugenaussage: „Er hat mir die Pistole an den Kopf gedrückt. Ich habe sie die ganze Zeit gespürt.“

Immer wieder stockt sie zwischen Schluchzern. Sie mache eine Therapie und könne mittlerweile wieder alleine vor die Tür gehen. Doch sehe sie in jedem Menschen einen potenziellen Täter, „der eine Pistole ziehen und einem skrupellos in den Kopf schießen könnte“. Nichts ist für sie mehr wie früher. Der Prozess wird fortgesetzt.

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