Den OB beim Neujahrsempfang abwatschen: Darf man das?

IHK-Präsident Andreas Schmitz ging OB Geisel in seiner Begrüßungsrede hart an und löste damit eine Debatte aus.

Düsseldorf. Eigentlich sollte Ministerpräsident Armin Laschet Gesprächsthema Nummer eins beim Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) sein, schließlich erlebten viele der mehr als 1000 Gäste ihn zum ersten Mal seit seiner Wahl live. Doch der Auftritt des Landesvaters, der gerade in Berlin sondiert, war schnell abgehakt, stattdessen ging es an den Stehtischen im Maritim-Hotel um ein anderes Thema: die sehr ausführliche Rede von IHK-Präsident Andreas Schmitz und darin vor allem der Teil, in dem der Oberbürgermeister Thomas Geisel heftig kritisierte. Die Stadt lebe über ihre Verhältnisse, die Sparanstrengungen der Stadtspitze fielen „eher dürftig“ aus und Konsolidieren gehe anders, sagte Schmitz. Geisel hatte als Gast in Reihe eins keine Möglichkeit, etwas zu entgegnen, und das führte zur häufigsten Frage des Abends: Darf man das in einer Rede beim Neujahrsempfang?

Linkes Bild: Thomas Geisel saß neben Ministerpräsident Armin Laschet (l.). Andreas Schmitz (rechtes Bild) ist mit den Spar-Anstrengungen nicht zufrieden.

Linkes Bild: Thomas Geisel saß neben Ministerpräsident Armin Laschet (l.). Andreas Schmitz (rechtes Bild) ist mit den Spar-Anstrengungen nicht zufrieden.

Geisel gab sich am Dienstag im WZ-Gespräch zunächst gelassen: „Vertreter anderer Parteien sprachen mich nach der Schmitz-Rede an und sagten, sie fänden es empörend, wie er sich über die Stadt geäußert habe. Ich selbst bin da nicht wahnsinnig empfindlich.“ Sitzen lassen will er die Kritik indes nicht auf sich: „Herr Schmitz hat ja sehr eloquent über die Welt-, Europa- und Bundespolitik gesprochen, manches erschien mir da nachvollziehbar — aber dadurch hat ihm offenkundig die Zeit gefehlt, sich mit der Entwicklung in Düsseldorf näher zu befassen.“ So habe er, Geisel, 2017 und 2018 einen strukturell ausgeglichen Etat vorgelegt, „und das mit konservativen Prämissen“. Zudem rücke seine Administration erstmals den hohen Personalkosten und dem berüchtigt-teuren „Düsseldorfer Standard“ ernsthaft zu Leibe.

Dem OB zur Seite springt in diesem Fall Düsseldorfs FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Geisel normalerweise eher in herzlicher Abneigung verbunden ist: „Ich finde es nicht sehr anständig, wenn man vor 1200 Zuhörern jemanden scharf attackiert und der Gescholtene keine Chance bekommt, sich zu verteidigen.“

So wie Schmitz würden sich immer wieder mal Gastgeber über die eingeladenen Politiker erheben, sie angreifen, auch weil sie sich des Beifalls sicher seien: „Damit müssen wir leben, und ich weiß, dass auch Geisel so etwas abkann.“ Dass die IHK die Stadtspitze ins Visier nehme, sei freilich nichts Neues. „Ich habe die Kritik schon öfter als unangemessen empfunden“, sagt Strack-Zimmermann.

Allerdings fielen die Ansagen in der Zeit der CDU-Oberbürgermeister Erwin und Elbers deutlich moderater aus. So merkte Ulrich Lehner als IHK-Präsident 2012 gerade mal an, Düsseldorfs Erfolg als Wirtschaftsstandort sei „kein Selbstläufer“, da müsse die Stadt mehr tun. Den Hintergrund seiner Worte bildeten harte Schläge ins Kontor wie die Wegzüge der Dax-Unternehmen Thyssen-Krupp und Eon, die Übernahme von Degussa durch Evonik in Essen und die Zerschlagung der West LB. Dennoch regt sich SPD-Fraktionschef Markus Raub nicht sonderlich auf über die Schmitz-Rede: „Er differenziert da nicht genug, für die Jahre 2012 bis 2014 etwa kann er sicher nicht Thomas Geisel und die Ampel verantwortlich machen.“ Andererseits habe der IHK-Präsident ja durchaus recht, noch gebe es keine größeren Einsparungen. Raub: „Aber wir sind da dran, die Haushalts-Konsolidierungskommission arbeitet — dass da nichts von heute auf morgen geht, müsste auch Herr Schmitz wissen.“

CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt teilt in der Sache — wenig überraschend — den Vorwurf des mangelnden Sparwillens bei der Geisel-Regierung. Über die Stil-Debatte wundert er sich: „Schmitz ist ein Freund klarer Worte. Seine Kritik ist keine Majestätsbeleidigung und ein Neujahrsempfang auch nicht das Format, bei dem eine Replik des Oberbürgermeisters üblich ist.“

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