Deichstreit erreicht den Landtag

Neue Runde in Kontroverse um den Himmelgeister Deich-Neubau. NRW-Umweltministerin argumentiert, eine ökologische Lösung sei schlicht zu teuer. Grüne und Naturschützer kritisieren die Haltung scharf.

Deichstreit erreicht den Landtag
Foto: Golsch

Der Streit um den neuen Deich in Himmelgeist geht in eine neue Runde: Auf eine Anfrage der Grünen im Landtag musste sich jetzt NRW-Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) äußern. Der Abgeordnete Norwich Rüße wollte wissen, warum im Himmelgeister Rheinbogen eine ökologische Lösung verworfen worden ist. Das ist Schulze Föckings Erklärung: Stadt oder Land müssten für diese Lösung Flächen zu Baulandpreisen kaufen, obwohl es sich nur um landwirtschaftliche Flächen handelt. Die Preise, die der Eigentümer dafür verlangt, lägen fast 700 Prozent über den marktüblichen Preisen, so die Ministerin. Sie argumentiert, dass Kosten und Nutzen einer ökologischen Lösung somit zu weit auseinander lägen.

Hintergrund des Streits ist die Frage, wo und wie der marode Deich ersetzt wird. Variante 1 (ökonomische Lösung): Der alte Deich wird abgetragen und an selber Stelle neu gebaut. Variante 2 (ökologische Lösung): Der neue Deich wird an einer Stelle neu gebaut, die weiter vom Rhein entfernt liegt (Rückverlegung). Dann könnte der alte Deich mit seinen seltenen Wildbienenarten stehenbleiben, es würde eine kleine Aue entstehen.

Dafür erforderliche Flächen gehören den Arenbergischen Gesellschaften. Dahinter stecken schillernde Namen: Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Sigismund Erzherzog von Habsburg-Lothringen. Er ist mit fast 2,3 Millionen Euro auch Hauptinvestor und zum Beispiel an der Düsseldorfer Universität wohlbekannt. Dort fördert er Stipendiaten und ist regelmäßig auf Fotos mit Studierenden und Rektorin Anja Steinbeck zu sehen. Auch sein Bruder Guntram Erzherzog von Habsburg-Lothringen mit offiziellem Wohnsitz in Miami Beach, Florida, ist an den Gesellschaften beteiligt.

Im Jahr 1975 haben die Arenbergischen die hohen Preise, rund 18 Millionen Euro für 60 Hektar Land, festgelegt - in Form eines Vertrages mit der Stadt, den diese nach WZ-Informationen notgedrungen unterschreiben musste, um im Gegenzug an Flächen für den Bau der Fleher Brücke zu kommen. Hinter dem Vertrag scheint Kalkül zu stecken - offenbar will das Unternehmen die Flächen unbedingt in eigener Hand halten.

In dem Vertrag gibt es aber ein entscheidenderes Detail: Er gilt offenbar nur für den Fall, dass die Flächen anschließend in Naturschutzgebiet umgewandelt werden. Für den Abgeordneten Rüße ist das eine entscheidende Klausel: „Für die ökologische Variante mit Aue wäre es gar nicht zwangsläufig notwendig, ein Naturschutzgebiet zu schaffen.“ Nach WZ-Informationen ließ die Stadt zudem schon 2010 begutachten, ob der Vertrag überhaupt rechtssicher ist. Das soll der Gutachter angezweifelt haben. Arenberg-Geschäftsführer Heinz Schumacher bezeichnete die Forderungen nach einer ökologischen Variante auf WZ-Anfrage als „kalten Kaffee“.

„Soll nur die Profitgier eines einzelnen Unternehmens verhindern, dass wir hier endlich ökologischen Hochwasserschutz betreiben?“, fragt deshalb Iris Bellstedt, umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Rat. Sie fordert, dass Stadt und Land den Vertrag anfechten und auch eine Enteignung des Eigentümers in Betracht ziehen. „Es geht hier um eine ökologische Lösung, die der Allgemeinheit zugute käme.“

Unterstützung bekommen die Grünen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (Bund). Dessen Vorsitzender Michael Süßer prüft eine Klage gegen die aktuellen Pläne des Bauprojekts. Grund dafür ist die europäische Wasserrahmenrichtlinie. Diese besagt, dass alle Baumaßnahmen an Flüssen den ökologischen Zustand derselben verbessern müssen. Ob das der Fall ist, hat die Stadt aber nicht einmal prüfen lassen. Auch das geht aus der Antwort der Ministerin auf die Anfrage der Grünen hervor.

Für Michael Süßer stellt schon das einen Verstoß gegen EU-Recht dar. Genau so sieht das der Abgeordnete Norwich Rüße: „NRW hinkt den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie meilenweit hinterher. Hier muss eine Prüfung stattfinden.“ Derzeit prüft die Bezirksregierung die Baupläne der Stadt. Sie muss entscheiden, ob gebaut werden darf. Von dieser Entscheidung will Michael Süßer auch eine Klage abhängig machen. Er hat derweil ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben um zu prüfen, welche seltenen Tier- und Pflanzenarten genau auf und am Deich leben. Die Grünen haben einen neuen Antrag für den Stadtrat angekündigt, um die Stadt nochmals aufzufordern, den Vertrag anzufechten.

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