Das Publikum entscheidet, ob es die Enthauptung sehen will

„Situation mit Zuschauern“ nennt sich die Essay-Performance, mit der Oliver Zahn morgen Abend in den FFT Kammerspielen zu Gast ist.

Das Publikum entscheidet, ob es die Enthauptung sehen will
Foto: Nicole Wytyczak

Das Video dauert keine drei Minuten. Und doch sollte sich jeder genau überlegen, ob er es sehen will. Oliver Zahn, Banafshe Hourmazdi und Jasmina Rezig geben den Zuschauern knapp 40 Minuten Zeit, um zu entscheiden, ob sie die Enthauptung des Journalisten James Foley durch den IS im Video erleben wollen. „Situation mit Zuschauern“ nennt das Kollektiv Hauptaktion den Abend, mit dem sie morgen um 20 Uhr zu Gast in den FFT-Kammerspielen an der Jahnstraße sind.

Eine sogenannte Essay-Performance, die sich zum Ziel gesetzt hat, Sehgewohnheiten zu stören. „Wir rücken die Entscheidung als theatralen Akt ins Zentrum und machen sie sichtbar“, sagt Theatermacher Oliver Zahn. Im Teil, der dem Video vorangeht, beschreiben und zerlegen sie den kurzen Film, entlarven die Art der Inszenierung und stellen sie in eine Genealogie von Gewalt im Theater. „Wir möchten ein Gefühl für das Video vermitteln und ein Werkzeug, damit es beim Zuschauen nicht so wirkt, wie von den Terroristen intendiert.“ Damit werde der Schrecken nicht leichter verdaulich gemacht, sondern ein Kontext geschaffen, im dem die Mechanismen der Propaganda deutlich werden. Alles das, was einem verborgen bleibt, wenn man allein vor dem Computer den Film anklickt.

„Die Dramaturgie folgt einem Thriller. Kleidung, Schnitt, Bildeffekte — das ist eine westliche Filmästhetik“, sagt Zahn. Dem Spektakel möchte er eine Verweigerung des Bildes entgegensetzen. Daher die 40 Minuten „Lecture“ vor der Publikums-Entscheidung. „Dem Voyeurismus wird so ein Strich durch die Rechnung gemacht, weil das Anschauen aus purer Neugier nicht mehr möglich ist.“

Gespielt haben die drei Performer den Abend bereits in Berlin, München und Stuttgart. „Die Reaktion ist überall ähnlich: Ungefähr die Hälfte der Zuschauer geht, die andere bleibt. Unabhängig davon, wie gut besucht die Vorstellung ist.“ Mit dem Genre Essayperformance orientiert sich Zahn am Essayfilm und verweist auf Harun Farocki. Weder die Begriffe Konzept- oder Diskurstheater noch Dokumentartheater beschreibe, was Hauptaktion mit dem inzwischen dritten Teil der Reihe „Situation mit“ anstrebt: „Wir versuchen, eine Art von Dokumentation zu entwickeln, die sich mit Dokumentarischem auseinandersetzt.“

Im Anschluss an die Vorstellung wird es ein Publikumsgespräch mit den Theatermachern geben.

fft-duesseldorf.de

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