Das Karnevalskostüm mit Scheinwerfer-Geschichte

Beim Kostümverkauf war der Andrang enorm. Viele Besucher gingen leer aus, andere fanden echte Schätzchen auf den Kleiderständern.

Düsseldorf. Sonja Kaiser will geköpft werden. Die 32-Jährige plant zu Karneval eine Kostümierung als getötete Marie Antoinette. Im Foyer der Rheinoper dreht sie sich gestern Nachmittag in einem Spitzen-Ballkleid von 1983 vor dem Spiegel. Wer in diesem Kostüm einst Arien schmetterte, ist nicht mehr herauszubekommen. Egal, es ist ein Einzelstück.

Sonja Kaiser hat genug von Karnevals-Discountern. „Da stellt man auf der Party später fest, dass 30 Leute das gleiche Kostüm tragen.“ Mit den rund 1000 Stücken, welche die Oper bei ihrem Fundusverkauf auf die Stange hängte, wird das nicht passieren.

„Die Kostüme sind aus Produktionen, die abgespielt sind“, erklärt Rheinoper-Sprecherin Tanja Brill. Darunter alte Inszenierungen der Zauberflöte, Aida, Carmen, der Barbier von Sevilla und viele mehr. Am liebsten verkauft die Oper ganze Produktionen samt Bühnenbild und Kostümen ins Ausland.

Aber auch die Bretter, die die Welt bedeuten, sind trendgeschüttelt: „Wir haben etwa jetzt ein sehr modernes Ballett“, verdeutlicht Schneiderin Michaela Grießer. „Da wird viel aus Trikotstoff genäht.“ Der alte Seiden-Tand muss also raus.

Zudem will jeder Regisseur und jeder Kostümbildner der neuen Inszenierung den eigenen Stempel aufdrücken. Von der Vision bis zum fertigen Kostüm arbeiten viele Hände 30 bis 200 Stunden. Bis die Samtrobe, die Römerrüstung oder der Köngispelz im Scheinwerferlicht steht.

Es ist diese Geschichte, die viele der hunderte Besucher beim Kostümverkauf anzieht. „Es ist etwas ganz Besonderes, so etwas zu Hause zu haben“, sagt die 23-jährige Effi. „Zu wissen, dass es schon mal auf der Bühne getragen wurde.“ Die Düsseldorferin tanzt selbst Ballett und hat extra für den Fundusverkauf angespart: Für 300 Euro nimmt sie Taft-Tütüs und paillettenbestickte Tanzkleidchen mit.

Etwas ganz Besonderes ist augenscheinlich das mit Perlen besetzte Seiden-Brautkleid aus „Kiss me, Kate“. Mit 250 Euro das teuerste Stück des Verkaufs. Etwas blass wirkt dagegen eine Reihe Mönchskutten auf ihren Kleiderbügeln. Dabei haben die einfachen Stöffchen eine bewegte Vergangenheit: 1970 standen sie in „Tosca“ erstmals auf der Bühne.

Sie gehören zu den Kostümen, die auch um 17.10 Uhr noch auf den arg lückenhaften Ständern hängen. Zehn Minuten nach Beginn des Verkaufs wirkt das Foyer der Oper bereits, als wäre ein modeinteressierter Heuschreckenschwarm hindurchgezogen. Punkt 17 Uhr sind die ersten Besucher durch die Eingangstüren gerannt — ja, gesprintet. „Nicht drängeln bitte, langsam“, bettelt ein Mitarbeiter. Vergebens.

„Ich war um 15.30 Uhr da und der Erste in der Schlange“, sagt Franz Weiderer. In der Rüstung eines Wächters aus „Turandot“ verlässt er die Oper mit fünf weiteren Kostüme in Tüten — für 320 Euro insgesamt. Sein Freund weilt gerade in Dubai, für ihn musste der 48-Jährige gleich mitshoppen. Zufrieden lacht er aus dem gigantischen Stehkragen seines Kostüms: „Beim Kö-Karneval wird das ein Hingucker.“

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