Christina Begale: „Erwin war aufbrausend und ungeduldig, aber kein Tyrann“

Christina Begale war die engste Vertraute des 2008 verstorbenen OBs im Rathaus. Sie erinnert sich gerne an ihn.

Düsseldorf. Kaum jemand war dem im Mai 2008 verstorbenen Oberbürgermeister Joachim Erwin so nah wie Christina Begale — abgesehen von Erwins Familie. Begale kam 2001 gleichsam als Praktikantin ins Rathaus und stieg dann schnell zur rechten Hand Erwins auf. Ihr und dem damaligen Presseamtsleiter Kai Schumacher diktierte Erwin kurz vor seinem Tod sein politisches Vermächtnis mit Geboten wie „Haltet das Geld zusammen“ oder „Senkt die Kita-Gebühren auf Null“. Nach dem Amtsantritt von OB Dirk Elbers war Begale im Rathaus nicht mehr gelitten. Sie wurde Geschäftsführerin der Sportagentur und hatte dort durchaus Erfolg — dennoch wurde ihr Vertrag jetzt nicht mehr verlängert.

Frau Begale, nach elf Jahren endet Ihre Arbeit für die Stadt. Gehen Sie mit Wehmut?

Begale: Teils, teils. Natürlich war das ein sehr wichtiger Abschnitt meines Lebens, beruflich und persönlich. Aber seit dem Tod von Joachim Erwin 2008 wird im Rathaus ein anderer Weg beschritten.

Bekannt geworden sind Sie als engste Vertraute von OB Joachim Erwin. Vermissen Sie ihn eigentlich noch?

Begale: Ja, das tue ich. Und das teile ich mit vielen Bürgern dieser Stadt.

Wobei sich sicher nicht alle nur positiv an ihn erinnern. Wie war er denn wirklich? War er der ehrgeizige Macher, der Tyrann?

Begale: Nein, ein Tyrann auf keinen Fall. Er war ein sehr besonderer Mensch. Sehr ungeduldig war er, fordernd, das stimmt, manchmal aufbrausend, auch unbeherrscht. Andererseits war er wirklich christlich eingestellt, ein Familienmensch und vor allem konnte man sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Er hat das Wohl der Stadt immer über sein persönliches Schicksal gestellt, das hat sich besonders gezeigt, als es ihm gesundheitlich immer schlechter ging. Und Joachim Erwin hat die Menschen gemocht, deshalb ist er bis zuletzt so gerne in Schützenzelte gegangen, um Stadtorden zu verleihen.

Aber er war auch berüchtigt, hat andere Menschen öffentlich bloßgestellt und fertiggemacht.

Begale: Also, da wurde gerne übertrieben. Richtig ist, dass er selbst im Nachhinein nicht alles gut fand im Umgang mit anderen. Aber das hat ihn wahrhaftig nicht ausgemacht. Viel wichtiger ist doch, dass er ehrlich, direkt, klar im Umgang war. Bei ihm wusste man, woran man war. Und das haben auch im Rathaus mehr Leute geschätzt als gefürchtet.

Und seine notorische Aggressivität?

Begale: Natürlich hatte er diese Angriffslust, mit der hat er es geschafft, die SPD in Düsseldorf zu stürzen. Diese Dynamik hat er über alle Jahre im Amt beibehalten, nur so konnte er diese Erfolge für die Stadt erzielen.

Sie und Kai Schumacher, der Ex-Leiter des Presseamtes, waren bis zu Erwins Tod gleichsam ein verschworenes Triumvirat. Wie hat es sich gebildet?

Begale: Es hat einfach menschlich gepasst, wir drei hatten die gleichen Ziele für die Stadt und ein großes Vertrauensverhältnis. Und das ist untereinander nie enttäuscht worden.

Wie sehr hat der Krebs Joachim Erwin verändert?

Begale: Er hat einmal gesagt: Ich fürchte den Tod nicht, aber ich habe einen großen Drang zu leben. Er wusste — wie wir später erfuhren — von Anfang an, wie schlimm es um ihn stand. Aber das hat er uns nie gesagt. Er ist rastloser geworden und wollte noch möglichst viel gestalten und erreichen für die Stadt. Und das ist ihm ja auch gelungen. Ich erinnere mich noch an eine lange Ratssitzung, die er unmittelbar nach einer harten Chemotherapie geleitet hat. Das war mörderisch.

Vielleicht aber auch ein Ausweis von Hybris. Warum konnte er so etwas nicht mal delegieren?

Begale: Weil er sehr pflichtbewusst war. Und eine Ratssitzung war für ihn nicht irgendetwas. Außerdem geht es auch in der Kommunalpolitik um Macht, das ist ein hartes Geschäft. Und da wollte er zeigen: Seht her Leute, ich bin noch da.

Fanden Sie, dass die Opposition fair mit ihm umgegangen ist?

Begale: Man darf nicht erwarten, dass in der Politik mit Wattebäuschchen geworfen wird, schon gar nicht auf Joachim Erwin. Ich finde, die Gangart gegen einen krebskranken Oberbürgermeister hatte einige Male das Maß des Anstands überschritten.

Wie waren seine letzten Wochen?

Begale: Ich erinnere mich gut an die letzte Reise nach China im Mai 2008, die war schlimm. Er war sehr tapfer, aber auch gedankenverloren, in sich gekehrt und besonders auf dem Rückflug ging es ihm ganz schlecht. Da hat er wohl gespürt, dass es zuende geht. Was ihn sehr gefreut hat, war der große Zuspruch von Sportvereinen bis hoch zur Kanzlerin Merkel, die ihn noch persönlich anrief. Gut tat ihm letztendlich auch die Versöhnung mit Ministerpräsident Rüttgers, mit dem er ja oft im Clinch lag, die durch Wolfgang Schulhoff zustande kam.

Wie kam es zu dem berühmten politischen Testament?

Begale: Das war seine Idee. Es zeigt, wie sehr er für die Stadt gelebt hat und dass es ihm wichtig war, dass es der Stadt gut geht.

Und, wird sein Vermächtnis denn gewahrt?

Begale: Das kann man erst in einigen Jahren exakt beurteilen. Seine Nachfolger werden daran gemessen, ob sie das Geld zusammenhalten, wie Erwin es formulierte. Die Frage ist, ob Düsseldorf seine Dynamik behält, die Stadt muss sich weiter entwickeln.

Es fällt auf, dass unter OB Elbers fast alle Erwin-Getreuen das Rathaus verlassen mussten.

Begale: Ja, das ist schon merkwürdig, zumal darunter ja viele Parteifreunde waren. Natürlich bringt jeder neue OB auch sein persönliches Team mit. Aber es kommt immer darauf an, wie man sich trennt.

Sie selbst waren früher im Rathaus gefürchtet, manche nannten Sie Erwins Kettenhund. In der Sportagentur galten Sie dann als umgänglicher.

Begale: Für eine Frau war das kein sehr charmantes Attribut, oder? Natürlich muss man sich immer weiterentwickeln, ich bin in den letzten Jahren sicher ruhiger, gelassener geworden. Aber: Ich bereue nichts, ich bin stolz auf die Zeit im Rathaus.

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