Interview Chefin der Kunstsammlung NRW: „Das K 21 ist leider kein lebendiges Museum mehr“

Susanne Gaensheimer, Chefin der Kunstsammlung NRW, spricht über die Probleme ihrer Häuser, mögliche Lösungen und das Programm für die nähere Zukunft.

Interview: Chefin der Kunstsammlung NRW: „Das K 21 ist leider kein lebendiges Museum mehr“
Foto: Federico Gambarini/dpa

Frau Gaensheimer, Sie stehen vor riesigen Problemen. Beginnen wir beim Schmela-Haus. Der Landesrechnungshof moniert, dass dort nichts geschieht. Was planen Sie?

Gaensheimer: Dieses Haus ist eine architektonische Ikone und ein einzigartiges Ausstellungshaus. Aber wir haben nicht genug Personal und nicht genug Geld, um es gut und sinnvoll zu bespielen. Außerdem bezahlen wir eine horrende Miete. In dieser Form können wir das Haus nicht mehr aufrechterhalten.

Was nun?

Gaensheimer: Im Herbst dieses Jahres werden wir dort zum 100. Geburtstag von Alfred Schmela eine sehr schöne und informative Ausstellung über diesen einflussreichen Sammler und Galeristen zeigen. Aber wir beschäftigen uns ganz grundsätzlich mit der Frage, was die sinnvollste Nutzung für dieses wunderbare Haus sein könnte, möglicherweise auch, es aufzugeben. Als reinen Veranstaltungsort halte ich es nicht für sinnvoll, wir wollen ja auch, dass die Leute in unsere beiden großen Häuser kommen.

Höhepunkt und Abgesang?

Gaensheimer Was immer wir planen, wir müssen das mit dem Ministerium entscheiden.

Ist nicht K 21 noch problematischer?

Gaensheimer: Das K 21 ist leider kein lebendiges Museum mehr. Ich beobachte das nun seit Monaten. Bei besonderen Veranstaltungen und zu Themen- oder Familientagen ist es sehr gut besucht. Aber im normalen Alltag ist es sehr ruhig geworden.

Wie wollen Sie das ändern?

Gaensheimer: Wir wollen das K 21 wieder wie ein in sich funktionierendes Museum aufbauen und Mitarbeiter aus allen Bereichen dort wieder fest installieren. Im September eröffnen wir das „neue“ K 21 mit einer neuen Sammlungspräsentation, die Neuerwerbungen und Werke aus der Sammlung Ackermanns enthält und einer Ausstellung der geheimnisumwobenen amerikanischen Kult-Künstlerin Lutz Bacher. Im Untergeschoss werden wir wichtige internationale Positionen zeigen, wie zum Beispiel Cao Fei im Oktober. Außerdem möchten wir jährlich die Absolventen der Kunstakademie präsentieren.

Und in der ersten Etage?

Gaensheimer: Sie wird eine reine Besucheretage, mit Räumen für Bildung und Vermittlung, Konferenzraum und Medialounge. Dort werden wir auch das Archiv der Galerie Konrad Fischer öffentlich zugänglich machen. Und wir werden ein Großraumbüro einrichten.

Warum ein Großraumbüro?

Gaensheimer: Damit machen wir sichtbar, dass da Leute arbeiten, Kuratoren, Wissenschaftler, Vermittler, Ausstellungsmanager, Kommunikatoren.

Sie geben die Ausstellungsfläche der Künstlerräume ab?

Gaensheimer: Die Künstlerräume waren immer flexibel und werden auch weiterhin ihren Ort finden. Ein weiteres großes Projekt ist die Restaurierung der monumentalen Installation „Das Deutschlandgerät“ von Reinhard Mucha, einem zentralen Werk im K 21.

Ein weiteres Problem scheint mir die sehr hohe Grabbe Halle in K 20 zu sein. Sie wurde 1986 mit Skulpturen von David Smith eingeweiht, mit viel Tageslicht. Nun ist der Raum leider verdunkelt. Wie wollen Sie die Halle nutzen?

Gaensheimer: Sie wurde in einer Zeit gebaut, als Bildhauer wie Richard Serra sehr monumental arbeiteten. Sie ist extrem groß und monumental. Im Laufe der Zeit wurde sie zweckentfremdet. Als ich hier ankam, war mein erster Wunsch, die Halle wieder als Halle zu benutzen. Das haben wir bei Maria Hassabi gemacht, und jetzt auch bei Douglas Gordon, wo die Halle zur Klanghalle geworden ist.

Und der zweite Wunsch?

Gaensheimer: Ich würde das Museum gerne über die Grabbehalle zugänglich machen. Das Haus wirkt sehr verschlossen nach außen, der Gang zum Eingang wenig einladend. Das finde ich nicht mehr zeitgemäß, aber im Geiste der 80er Jahre nachvollziehbar. Damals war das Museum ein elitärer Ort, ein hehrer Tempel der Kunst für das akademische Bildungsbürgertum. Heute wollen wir ein sehr viel breiteres Publikum ansprechen. Zu „Museum global“ im Herbst werden wir das Haus deswegen in experimenteller Form über die Grabbe Halle öffnen.

Sie opfern einen Raum für Kunst?

Gaensheimer: Mit einem künstlerisch-architektonischen Konzept werden wir ein Entree mit Raum für Information, Workshops, Vorträge, Filmvorführungen, Aufenthaltsraum und einem Café schaffen. Wir wollen das in dieser experimentellen Form erst einmal testen, bevor es als große Baumaßnahme geplant wird, und zwar mit dem Architekturbüro Raumlabor, das einen betont künstlerischen Ansatz hat.

Was muss man denn bauen?

Gaensheimer: Einen neuen, funktionierenden Eingang mit einer Architektur für all diese Formate.

Gibt es Kontakt zu Eva Beuys?

Gaensheimer: Noch nicht, aber ich möchte einen Antrittsbesuch bei ihr machen. Wir werden auch in Zukunft mit dem Thema Beuys arbeiten, zum Beispiel 2021 zu seinem 100. Geburtstag. Im Moment präsentieren wir neben der wunderbaren Installation „Palazzo Regale“ einige Werke von ihm neu. Wir bereiten auch eine kleine sehr schöne Beuys-Ausstellung vor, die nach Brasilien reisen soll.

Gibt es Geldprobleme?

Gaensheimer: Der Etat ist solide, aber er müsste erhöht werden, weil wir ja nun zwei Häuser intensiv bespielen wollen und auch die laufenden Kosten gestiegen sind.

Am 9. November eröffnen Sie „Museum global“. Was ist mit diesem Großprojekt?

Gaensheimer: Die Ausstellung fragt nach der Geschichte unserer Sammlung, die exemplarisch ist für die europäische Moderne, und fragt nach dem, was es zu dieser Zeit in anderen Teilen der Welt auch noch gab. Wir wollen beispielsweise nach Lateinamerika, Japan, China, in die verschiedenen Länder Afrikas schauen. Wir leben heute in einer globalisierten Lebensrealität und möchten wie unsere Kollegen in der Tate oder im Centre Pompidou auch über den Tellerrand gucken. Ich halte dies für einen notwendigen Schritt, wenn wir international nicht an Relevanz verlieren wollen.

Nun zu Anni Albers, die Sie ab 9. Juni im K 20 zeigen. Ist das nicht betuliche Stoff-Kunst?

Gaensheimer: Wie viele Frauen am Bauhaus hat Anni Albers mit dem Weben angefangen, aber daraus eine Kunstform entwickelt, ihre kostbaren Werke sind Gemälden in gewebtem Stoff. Die Übergänge zwischen Kunst und Kunsthandwerk, Kunst und Choreographie, Kunst und Architektur finde ich sehr interessant und bereichernd. Dies ist die erste große Retrospektive dieser bedeutenden Künstlerin, die wir gemeinsam mit der Tate Modern und der Albers Foundation erarbeitet haben.

Die letzte Frage gilt der Dauerausstellung. Müssten die Werke nicht besser, moderner gehängt werden?

Gaensheimer: Nach der Ausstellung „museum global“, die in allen Räumen des K 20 stattfinden wird, werden wir die Sammlung neu einrichten und versuchen, etwas Luft und Bewegung hinein zu bringen. Dazu gibt es schon verschiedene Ideen, aber es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen. Wir werden auch hier versuchen, die Idee der Öffnung und der perspektivischen Erweiterung umzusetzen.

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