Bundestagwahl 2017 Merkels Verluste: Der verdunkelte Sieg der Kanzlerin

Die Wähler versetzen der CDU einen Kinnhaken. Merkel beansprucht die Führung weiter für sich. Die CSU ringt derweil um Fassung.

 Herbe Verluste: CDU und CSU haben bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis in der zwölfjährigen Ära Angela Merkels. Wie unangefochten kann die Kanzlerin (r) nun weiter regieren?

Herbe Verluste: CDU und CSU haben bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis in der zwölfjährigen Ära Angela Merkels. Wie unangefochten kann die Kanzlerin (r) nun weiter regieren?

Foto: Boris Roessler

Berlin. „Angie“, „Angie“, „Angie“ jubeln sie im Konrad-Adenauer-Haus der CDU frenetisch. Angela Merkel wirkt ein wenig verzückt von der Begeisterung, die ihr entgegenschlägt. Dabei ist sie keine strahlende Siegerin mehr. Anders als bei der Bundestagswahl vor vier Jahren, bei der die CDU die 40-Prozent-Marke knackte. Manch einer in der Parteizentrale ist sogar regelrecht erbost angesichts der Jubelstürme von Merkels jungen Helfern.

Es ist 18.49 Uhr, als die Kanzlerin unten im Foyer die Bühne betritt, umringt von anderen CDU-Spitzen. Im Präsidiumszimmer im fünften Stock hat man gemeinsam die Prognosen und Hochrechnungen verfolgt. Es gibt Kuchen, Käse, die ein oder andere Spezialität aus deutschen Landen. Bereits um 17.10 Uhr ist Merkel mit ihrer Kolonne in die Tiefgarage eingefahren, die aufgebauten Zelte rund um das Gebäude platzen da schon aus allen Nähten. 2000 Gäste feiern - und viele leiden auch.

Zu diesem Zeitpunkt ahnt Merkel zwar schon, dass die Union Verluste erleiden wird, doch dass die Einbußen so herbe sein würden, weiß sie nicht. Die CDU-Chefin ruft später ihren Anhängern zu: „Natürlich haben wir ein wenig ein besseres Ergebnis erhofft.“ Aber man habe die „strategischen Ziele“ bei der Bundestagwahl erreicht. Die Union sei stärkste Partei, man werde die Regierung bilden und niemand könne gegen CDU und CSU regieren. Auch sei ein solches Ergebnis nach zwölf Regierungsjahren nicht schlecht. Nüchterner kann man einen Wahlausgang wohl nicht erklären.

Kurz vorher hat freilich CSU-Chef Horst Seehofer schon seine Pfeile von München nach Berlin gefeuert: „Wir werden die Dinge genau betrachten“, droht er. Sein Partei ist in Bayern unter die 40 Prozent gerutscht. „Es gibt nichts schön zu reden“, gesteht Seehofer. Die Union „hat eine Flanke auf der rechten Seite, eine offene Flanke“. Genutzt habe dies der AfD. Mit „klarer Kante“ und „klaren Positionen“ müsse man nun darauf reagieren. Seehofers Ärger ist auch an den Bildschirmen in der CDU-Zentrale spürbar. Man werde keine „falschen Kompromisse mehr eingehen, die die Spaltung des Landes vorantreiben“, ätzt er noch. Die Kanzlerin wird sich in den nächsten Wochen warm anziehen müssen. Mal wieder.

Da nutzt es auch nichts, dass ihre Getreuen wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet erklären, das Abschneiden der Union habe weniger etwas mit der Flüchtlingspolitik zu tun als damit, „dass viele schon gedacht haben, Angela Merkel hat sowieso gewonnen“. Hilflosigkeit klingt da mit. „Ganz schön happig“, sagt indes ein anderer, „ich kann gar nicht verstehen, warum hier so viel gejubelt wird. Das ist ein Klatsche.“

Wohl wahr: Das Ergebnis der Union von knapp 33 Prozent ist das schlechteste bei einer Bundestagswahl seit 1949. Und dann auch noch das zweistellige Abschneiden der AfD. Dem ein oder anderen bleiben Matjes und Currywurst im Hals stecken. Merkel betont jedenfalls, man wolle die Wähler der AfD zurückgewinnen, und das „vor allem durch gute Politik“ in den nächsten vier Jahren. Ob das alleine reicht, muss bezweifelt werden.

Und dann stellt sich auch noch die Frage, mit wem sie regieren will. Die SPD will nicht mehr in die große Koalition, doch bei der CDU halten dies viele für einen Trick. Wenn Jamaika mit Grünen und FDP nicht funktioniere, werde sich die SPD bitten lassen, „und dann schön die Preise hochtreiben“, glaubt einer. Abwarten.

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